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Neobooks - Transalp 10

Neobooks - Transalp 10

Titel: Neobooks - Transalp 10
Autoren: Marc Ritter , CUS
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    BUCH 10
    SONNTAG, 15. JULI 2012
Belluno, 16.52 Uhr
    D er Mesner öffnete nicht. Ob er am Sonntag überhaupt die Tür öffnete? Oder war er am Ende gar nicht da? Spindler ging zum Glockenturm nebenan. Auf den Straßen hatten sich die Bellunesi zur nachmittäglichen Passegiata eingefunden. Die Tür zum Glockenturm war mit einem dicken Vorhängeschloss zusätzlich gesichert. Für einen Spindler kein Problem. Doch direkt gegenüber vom Eiscafé Rialto, vor dem die Leute saßen? Es würde arg auffallen, wenn er an dem Tür- und am Vorhängeschloss herumfummelte. Also besser warten. Das war ärgerlich.
Dein Vorsprung schmilzt dahin!
Er ging wieder zurück, klingelte. Keine Antwort. Setzte sich, ganz Tourist, ins Eiscafé. Den geplanten Besuch in der Bibliothek konnte er an einem Sonntag auch vergessen – da war sie geschlossen. Von hier aus hatte er beides im Blickfeld – das Mesnerhaus und den Glockenturm. Oben läutete die Glocke. Sie läutete jede Viertelstunde.
    Ob es ihm gelingen würde, Plank rechtzeitig auf seine Seite zu ziehen? Sonst könnte sein kühner Plan wohl kaum gelingen. Obwohl, was heißt schon Plan. Bislang war alles noch eher diffus. Er wusste zwar, was er suchte. Das Wo war weitgehend ungewiss, er wusste nur die Stadt, in der es sein musste. Aus all den hinter vorgehaltener Hand geflüsterten Gerüchten war nur eines klar: Es musste dort sein. Er redete sich ein, dass sich alles fände. Er dachte an die Stadt, träumte ein wenig von den Gassen, sah sich schon in einem modrigen Gelass zwischen Wasserratten das geheimste aller Dokumente aus einem Archivschrank wühlen. Natürlich im letzten Moment, bevor es in die falschen Hände geraten konnte.
Benno, du träumst! Hat dir das jemals was gebracht? Träumen hilft nicht. Machen hilft!
    Als er da so saß und vor sich hin sinnierte, fiel sein Blick auf einen Signore, der am Nebentisch Zeitung las: die Gazzetta dello Sport in ihrem typischen Schweinchenrosa. Auf der Titelseite das Bild des saisonbeherrschenden Rennfahrers vor seinem Formel-1-Ferrari, wie er beide Arme in Siegerpose in die Höhe reckte. Er hatte in der Qualifikation eine Pole-Position ergattert. Die Sonne schien jetzt am späten Nachmittag durch die Zeitungsseite, so dass Spindler durch die Titelseite hindurch auch die Überschriften auf der Innenseite sehen konnte. Lesen in 3D, dachte er sich unwillkürlich. So neu ist das also gar nicht. Im Mesnerhaus war gerade ein Fensterladen aufgegangen. Spindler sprang auf und bezahlte an der Kasse. Auf sein Klingeln hin öffnete eine Frau in Schürze, die Mesnerin. Etwas umständlich brachte er sein Begehr auf Italienisch vor. Sie erriet es aber auch so, nahm einen dicken Schlüsselbund vom Haken im Flur und ging mit Spindler die paar Schritte zum Glockenturm hinüber. Neugierig sahen die Leute herüber. Die Frau wollte nicht warten, bis der vermeintliche Tourist ganz hinaufgestiegen war und seine Fotos geschossen hatte. Gleichzeitig befürchtete sie, dass auch andere Leute die günstige Gelegenheit wahrnehmen würden, den berühmten Glockenturm einmal von innen zu sehen. Und bis die alle wieder herunten wären … Am Ende müsste sie noch selber hinaufsteigen, um nachzusehen, ob nicht noch jemand oben wäre. Das wollte sie nicht. Sie bedeutete Spindler daher, dass sie das Vorhängeschloss von außen wieder so hinhängen würde, dass die Tür verschlossen aussah.
    55 Meter höher warf Spindler einen Blick durch den offenen Glockenstuhl hinunter auf den Domplatz. In dieser Sekunde wusste er, dass er einen Fehler begangen hatte: Dort unten stand der Kerl, der ihn gestern auf Pisciadu mit der Pistole bedroht hatte. Er blickte zu ihm herauf. Der Killer eilte entschlossenen Schrittes auf die Tür des Campanile zu. Soll ich hinunter und die Tür verrammeln?, überlegte Spindler fieberhaft. Zu spät, der Killer hatte sich von der vermeintlich geschlossenen Tür nicht täuschen lassen und war schneller. In einer halben Minute musste er heroben sein. Spindler blieben nur ein paar Augenblicke, um eine Nachricht für Plank und seine Begleiterin zu hinterlassen.
    Spindler hörte den Mann die enge Treppe heraufhasten.  Schon war er direkt unter der Glockenstube. Spindler konnte seine dunkle Gestalt durch die Ritzen im Balkenboden sehen. Von den vielen Menschen auf dem Domplatz ahnte niemand, was sich oben entspann. In diesem Moment erklang die Glocke oben auf dem Turm. Der Eisverkäufer merkte auf. Das war nicht das normale Läuten. Ein Blick auf die
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