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Staub Im Paradies

Titel: Staub Im Paradies
Autoren: Ernst Solèr
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unseren Flaschen. Verasinghe sieht unglücklich aus. Hat es mit dem Totenschein zu tun?
    Nein, merke ich bald, seine Sorgen gelten dem wiederaufflammenden Bürgerkrieg. Der ohnehin brüchige Waffenstillstand zwischen der Regierung und der LTTE sei seit den neuesten Attacken der Rebellen endgültig vorbei, meint er. Die Insel komme einfach nicht zur Ruhe. Es sei wirklich zum Verzweifeln.
    Das Morden im Paradies geht also weiter, brutaler denn je vermutlich. Ich persönlich werde bald wieder in der sicheren Schweiz sein. Dort kann ich dann die Tage zählen, die Anna noch in Sri Lanka verbringen muss, und hoffen, dass sie sich gelegentlich telefonisch bei uns meldet.
    »Ich kann dich morgen zum Flughafen bringen«, bietet Verasinghe mir an.
    Ich bin gerührt.
    »Das will schon meine Tochter tun«, muss ich dennoch ablehnen. »Ich hoffe, du bist deswegen nicht gekränkt?«
    »Die Familie geht doch vor«, beruhigt er mich. »Nur schade, dass wir uns bald voneinander verabschieden müssen.«
    »Wir waren ein gutes Team«, bestätige ich hilflos, denn ich habe den rundlichen Mann inzwischen fest ins Herz geschlossen. »Vielleicht kommst du ja mal in die Schweiz.«
    Verasinghe lächelt.
    Ich weiß natürlich, dass er sich mit seinem sri-lankischen Polizistenlohn den Flug nach Europa kaum leisten kann. Aber vielleicht lässt sich ja von Zürich aus etwas organisieren. Erfahrungsaustausch, Weiterbildung oder irgendein Seminar – wir haben schon aus fadenscheinigeren Gründen Leute zu Vorträgen in unseren Presse- und Ausbildungssaal im fünften Stock einfliegen lassen. Als Kommandant wäre es mir ein Leichtes gewesen, so etwas in die Wege zu leiten. Nun gut.

Gret will es wissen
    »Beihilfe zum Mord ist ein schweres Verbrechen, Janani. Du musst mit mehreren Jahren Gefängnis rechnen«, beschwor Gret die junge Frau.
    Aber die blieb stur und schwieg beharrlich weiter.
    »Die Gem Import GmbH ist eine vom hiesigen Arm der LTTE aufgebaute Tarnfirma. Ob sich Rainer Schütz an Müller heranmachte, um an Informationen zu kommen, oder ob er nur zufällig etwas mitbekam, ist egal. Klar ist, dass er die Zürcher Tamilen vor Rexon warnte, was letztendlich dessen Todesurteil bedeutete.«
    »Wenn Sie meinen«, sagte Janani. »Kann ich jetzt endlich wieder gehen?«
    »Du begreifst den Ernst der Lage nicht!«, regte Gret sich auf. »Dein älterer Bruder hat gestanden, Rexon erstochen zu haben, Himmel noch mal! Und du hast uns wissentlich und absichtlich auf eine falsche Fährte gelockt!«
    Janani gähnte gelangweilt.
    »Sie waren aber auch dumm«, erwiderte sie dann. »Sie hätten doch wissen müssen, dass ich niemals ohne Hintergedanken so über meinen Vater und meinem Bruder gesprochen hätte.«
    Gret hielt inne.
    »Das hätte Ihnen doch klar sein müssen!«, beharrte die Tamilin.
    Gret ärgerte sich. Weil Janani absolut recht hatte: Die Geschichte mit der Zwangsheirat passte ihr damals einfach hervorragend ins Konzept, sodass sie blindlings und bereitwillig darauf eingestiegen war.
    »Rexon wollte deinen Vater aushorchen, vielleicht sogar bestechen, deshalb suchte er den Kontakt«, versuchte sie es erneut.
    Janani fiel wieder zurück in ihr Schweigen.
    »Aber jemand wusste längst, dass er ein Verräter war«, fuhr Gret fort.
    »Vielleicht«, meinte Janani.
    »Wusste es dein Vater auch?«
    Keine Antwort. Aber plötzlich lag eine nervöse Spannung in der Luft.
    »Oder hat dein Vater einen schweren Fehler gemacht, der sich nur dadurch wieder gutmachen ließ, indem sein eigener Sohn Rexon beseitigte?«
    Jananis Augen blitzten kurz auf. Gret hatte instinktiv das Gefühl, dass sie ins Schwarze getroffen hatte.
    »War es so?«, insistierte sie sofort.
    »Und wenn?«, entgegnete ihr Janani salopp. »Ein Verräter hat seine verdiente Strafe bekommen, der Täter hat gestanden. Was wollt ihr denn noch?«
    »Du machst es mir wirklich schwer«, seufzte Gret. »Du bist doch eine intelligente junge Frau. Und trotz allem stehst du jetzt mit einem Bein im Gefängnis.«
    »Sie wissen doch nicht das Geringste über diesen Krieg!«, schrie ihr Janani völlig unvermittelt ins Gesicht. »Einfach rein gar nichts!«
    Ganz offensichtlich nicht. Aber sie war schließlich auch in Basel zur Welt gekommen und nicht in einem Bürgerkriegsgebiet.
    »Dann erzähl mir was darüber.«
    »Nein!«, brüllte Janani. »Glauben Sie mir, Sie wollen das gar nicht wissen! Dass es dabei kein Pardon gibt und keine Gnade und kein Entrinnen und kein Ende! Kerkern Sie uns doch alle
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