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Staub Im Paradies

Titel: Staub Im Paradies
Autoren: Ernst Solèr
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unterbreche ich ihn.
    »Er war von Anfang an nur scharf auf das Geld«, sagt Müller bitter. »Er war von klein auf eine Riesenenttäuschung, ich habe ihn nach allerlei Eskapaden finanziell sehr kurzgehalten.«
    »Was für Eskapaden?«
    »Zum Beispiel erschoss er eine meiner Löwinnen. Einfach so zum Spaß.«
    »Gewehre waren sein Hobby?«
    »Genau, seine einzig mir bekannte Leidenschaft, abgesehen von seiner verblendeten Anbetung der armen Vidya. Er wollte die Sache in der Schweiz unbedingt selbst regeln, aber ich sagte Nein. Ich vermutete von Anfang an, dass er sich nur das Geld unter den Nagel reißen wollte. Also schickte ich meinen vertrauenswürdigsten Mitarbeiter nach Zürich, Rexon. Mit zwanzigtausend Dollar. Himmel, ich verstehe auch nicht mehr, wie ich je auf diese Idee gekommen bin!«
    »Weil Vidya Ihnen auch gefällt?«
    »Ach was! Ich mag sie gern, aber damit hat sich’s. Gut, vielleicht hatte ich auch keine Lust, mich an ein neues Gesicht in meinem Haus zu gewöhnen. Vor allem aber habe ich mich einmal mehr von Frank zu etwas überreden lassen, was ich im Normalfall nie getan hätte. Aber gut – er ist nun mal mein einziger Sohn.«
    »Wer wusste von Rexons Reiseabsichten?«
    »Nun, Frank natürlich. Trüeb und Premadasa, denen ich die Geschichte erzählt habe. Und ich fürchte leider auch Rainer Schütz.«
    »Was hatte der denn damit zu tun?«
    »Er bekam wohl einen Streit zwischen mir und Frank mit, als er zum Schachspielen hier war. Mein Sohn ist wirklich unmöglich. Aber eben trotzdem mein Sohn.«
    »Ja, ja, das haben Sie schon mehrfach erwähnt«, sage ich entnervt. »Wann begannen Sie denn, Frank zu verdächtigen?«
    »Rexon kam nicht zurück beziehungsweise er meldete sich plötzlich nicht mehr, was für ihn sehr ungewöhnlich war. Frank blieb spurlos verschwunden. Irgendwann meldete sich Rainer Schütz, um mich darauf hinzuweisen, dass in Zürich ein Tamile erstochen worden sei, der aussehe wie Rexon. Er hatte das Bild in der Internetausgabe des Tages-Anzeigers gesehen.«
    Ich erinnere mich an Schütz’ zaghaften Versuch kurz vor seinem Tod, mit mir über seinen Verdacht zu reden. Warum nur habe ich ihn damals einfach abgewimmelt? Der Fall Rexon könnte längst gelöst sein! Auch wenn das an Rainers Tod vermutlich nicht viel geändert hätte – Frank lag zu jenem Zeitpunkt wohl schon auf der Lauer.
    »Und weiter?«, fordere ich Müller auf fortzufahren.
    »Frank tauchte plötzlich wieder auf. Ich stellte ihn zur Rede und erwähnte dabei dummerweise wohl auch Schütz’ Vermutungen. Wir hatten einen ganz fürchterlichen Streit, woraufhin er zornig abzog. Wohin weiß ich nicht. Er machte sich wohl auf den Weg, um Rainer zu erschießen.«
    »Mit dem Gewehr aus der Kammer?«
    »Leider«, jammert Müller. »Wann genau er es geholt hat, ist mir unklar, aber natürlich hatte er einen Schlüssel für das Haus und kennt mein Personal.«
    »Lagern Sie denn auch Munition hier?«, will ich wissen.
    »In einem separatem Raum«, nickt Müller einfältig.
    »Hat Ihr Sprössling denn zugegeben, Rainer erschossen zu haben?«
    »Ja. Und er flehte mich um Hilfe an, als er merkte, dass Sie und die einheimische Polizei sich nicht durch die übliche Rebellentheorie abwimmeln ließen.«
    Eigentlich habe ich keine Lust mehr auf Müllers Erklärungen. Ebenso wenig wie auf seinen Kaffee, so gut er auch schmeckt. Zu traurig ist mir zumute. Denn Müller hat seinen Sohn trotz dieser abscheulichen Tat per Helikopter in Sicherheit bringen lassen. Was soll also das larmoyante Gelaber?
    »Ich war verzweifelt, glauben Sie mir«, scheint Müller meine Gedanken zu erraten. »So verzweifelt, dass ich mich an meinen Freund Premadasa wandte, der mir versprach, er werde die Sache in Ordnung bringen.«
    »Bravo!«, höhne ich. »Eine brillante Idee!«
    »Mir war nicht wohl dabei, wahrlich nicht. Ich war selbst nicht mehr ganz bei Sinnen.«
    »Wollten uns Premadasas Leute umbringen auf der Straße?«
    »Ich fürchte, ja. Und Hugentobler, den sie aus dem Forschungszentrum verschleppt hatten, gleich noch dazu. Zum Glück haben sie vorher zur Sicherheit per Funk nochmals bei mir nachgefragt.«
    Ich betrachte ihn eine Weile. Müllers rotes Bärtchen sieht zerzaust aus, die Haut ringsum schimmert käsig. Der kleine, dicke Mann ist und bleibt mir ein Rätsel. Er ist wandelbar wie ein Chamäleon und wird je nach Bedarf vom Plapperclown über den Geldadligen und Gutmenschen bis hin zu einer tragischen Figur und zurück.
    »Sie hätten uns
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