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Staub Im Paradies

Titel: Staub Im Paradies
Autoren: Ernst Solèr
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dreiundzwanzig Franken schneiden lassen konnte, wie ein großes Blechschild neben der Eingangstür versprach. In dieser Ecke des Kreises 5 wimmelte es von Tamilenläden, ihr Kollege John Häberli sprach von der Gegend seit Langem nur noch als Tamil Town.
    Gret betrat den Friseurladen. Eine Frau mit dem leuchtenden roten Punkt der Verheirateten auf der Stirn kam freundlich auf sie zu und musterte interessiert ihre weißblonden Haare. Leider änderte sich ihr Gesichtsausdruck sofort, als Gret ihren Ausweis zückte und ihr das Porträt des Toten vorhielt. Es war, als erlösche die Frau. Sie nickte heftig, was Nein bedeutete, als Gret fragte, ob sie den Toten kenne, und blickte sich Hilfe suchend um. Als niemand kam, verzog sie sich einfach in ein Hinterzimmer und stellte dort die Musik lauter.
    Gret war allmählich genervt: Der Tote war noch am Sonntagnachmittag im Kino gewesen und nur wenige Stunden später ein paar Dutzend Meter weiter tot abgelegt worden. Irgendwer musste etwas gesehen haben! War es den Leuten egal, wer ihn umgebracht hatte?
    Sie verließ den Laden und schmetterte die Tür hinter sich zu. Wieder an der frischen Luft, versuchte sie sich zu beruhigen. Vielleicht ermittelten sie in die völlig falsche Richtung. Der gezielte Mord, und darum handelte es sich ihrer Meinung nach ohne Zweifel, musste unter Umständen doch überhaupt nichts mit der tamilischen Gemeinschaft zu tun haben. Die Idee, dass die Tat mit Schutzgelderpressung zusammenhing, basierte im Grunde einzig auf aus der Luft gegriffenen Vermutungen der Kollegen von der Stadtpolizei.
    Sie mussten einfach mehr über den Toten wissen. Hoffentlich hatten die Kollegen in der Zwischenzeit irgendetwas herausbekommen. Gret konsultierte ihre Swatch. Zwanzig vor zwei. Michael hatte die große Sitzung erst auf 16.00 Uhr anberaumt. Sollte sie sich noch einmal den Tatort ansehen?
    Nein, beschloss sie, sie würde dort gewiss nur auf Felix treffen und das wollte sie nicht. Es interessierte sie nämlich sehr, ob er von selbst anrufen würde.
    Gret überquerte stattdessen die Langstrasse und betrat den Indian Supermarket Maharaja, ein weiteres Tamilengeschäft, in dem es streng nach Fisch roch. Sie spazierte durch die Regalreihen, die voller Gewürze, Backwaren, Seifen und Süßigkeiten waren, und beobachtete, wie eine dicke Frau in einer öligen Schürze frischen Tintenfisch in eine Blechschale kippte, die in der gewaltigen Auslage an der Theke lag. Riesige Fische hatten sie hier und eine beeindruckende Auswahl. John Häberli hätte der Laden vermutlich gefallen, auch wenn er ohne Zweifel lieber selbst fischte, als dass er den Fang anderer genoss.
    Gret entdeckte auf dem Boden große Säcke mit Basmatireis und Kanister voller Kokosnussöl. Daneben türmten sich grüne Plastikkisten mit Ingwerknollen, Süßkartoffeln, Butterkürbissen, Randen und Kochbananen. Sie griff nach einem Butterkürbis und roch daran. Er duftete leicht süßlich. Dann drückte sie auf eine Kochbanane und realisierte, dass sie steinhart war.
    Niemand schenkte ihr Beachtung. Wie um Himmels willen kam man an diese Leute heran? Gret griff sich einen Tetrapak mit Passionsfruchtsaft aus dem surrenden Kühlregal und bezahlte, während der Mann an der Kasse uninteressiert an ihr vorbeisah. Sie hielt ihren Ausweis schon in der Hand, zögerte aber, ihn vorzuzeigen. Als ein kleiner Junge kam und den Mann von der Kasse wegzerrte, ließ sie die beiden ziehen und warf nochmals einen Blick auf die imposante Fischauslage. Sie aß vorzugsweise Salate und Pasta, aber wieder einmal Fisch wäre sicher auch nicht schlecht. Ein Stück Thunfisch etwa, das sie mit Ingwer und Koriander aufpeppen könnte.
    Gret zückte ihr Portemonnaie und sah sich um, konnte aber keine Angestellten mehr entdecken. Das Geschäft war menschenleer. Sie wollte es gerade verlassen, als der Dreikäsehoch zurückkam und sie bei der Hand nahm. Der ungefähr vierjährige Junge lächelte verschmitzt und zog sie mit sich. Gret wunderte sich zwar, ließ es aber geschehen und folgte dem Kind durch einen schmalen, muffig riechenden Gang. Plötzlich standen sie in einer von einer kahlen Glühbirne beleuchteten engen Vorratskammer. Zwei Männer hatten Gret offensichtlich bereits erwartet. Einer von ihnen schloss wortlos hinter Gret die Tür, nachdem der Junge den Raum leise wieder verlassen hatte.

Staub findet neue Kollegen
    Der tote Rainer Schütz liegt inzwischen im Kühlraum der Forschungsstation, sein Vater in der Schweiz ist informiert
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