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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1
Autoren: Jonathan Tropper
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bloßgestellte Stadt«, in Verbindung mit dem Dampf, den Owen unentwegt dahinter machte, war genug, um beim Book Review für Aufmerksamkeit zu sorgen, und Bush Falls bekam am folgenden Sonntag eine ganzseitige Besprechung. Die Rezension in der Times war alles, was Owen benötigte, um seine Publicity-Maschinerie in Gang zu setzen. Binnen eines Monats war mein kleiner Roman in People , Time , Entertainment Weekly , Esquire und einer Reihe anderer größerer Zeitschriften besprochen worden. Auf seiner ersten Bestsellerliste landete Bush Falls etwa drei Monate, nachdem es in den Buchregalen gelandet war, und auf einmal kam es zu einem dramatischen Anstieg der Ziffern auf meinen Tantiemenschecks. Als wir feststellten, dass wir es auf die Liste geschafft hatten, sprang Owen allen Ernstes auf seinen handgeschnitzten chinesischen Kirschholzschreibtisch und vollführte einen verrückten kleinen Owen-Freudentanz. Dann flog er nach Frankfurt und verkaufte die europäischen Rechte kollektiv für zweihundert-fünfzigtausend Dollar und ging dann nach L. A., wo er die Filmrechte für das Fünffache der Summe an Universal verkaufte - und in all dieser Zeit wurden die Tantiemenschecks immer dicker. Sechs Monate später, immer noch auf der Liste, saß ich auf mehr Geld, als ich aller Erwartung nach in meinem ganzen Leben mit Brandmarketing hätte verdienen können - was ich tat, bevor ich zu leben anfing.
    »Jetzt hast du offiziell dein Leck-mich-Geld«, verkündete Owen fröhlich, als wir bei Peter Luger's saßen und Steaks aßen. Er hatte den Bericht über meine monatlichen Verkaufszahlen zu einer lässigen Dinnerfeier umgewandelt, auf Kosten der Agentur, auch wenn, würde man es genau ausrechnen, ich derjenige war, der tatsächlich bezahlte. Aber ich entschied, nicht in diesem Sinn zu denken, denn es machte Spaß, wichtig zu sein, ein größerer Geldverdiener für die Agentur zu sein. Und außerdem, wie ich bereits sagte, habe ich nicht allzu viele Freunde.
    »Mein Leck-mich-Geld«, wiederholte ich.
    »Allerdings«, sagte Owen und nippte an seinem Wein. Für einunddreißig ist er etwas übergewichtig, mit drahtigem blonden Haar und einem rötlichen, sommersprossigen Teint. Außerordentlich gebildet und draufgängerisch aggressiv, ist er rasch zu einem der einflussreichsten Agenten in der Branche aufgestiegen. Irgendetwas an seinen vollen grinsenden Lippen, sein Babygesicht und die Art, wie sich sein Fett mit aller Kraft gegen die Zwänge seiner teuren, maßgeschneiderten Hemden presst - all das trägt zu dem unterschwelligen Eindruck heimlicher nihilistischer Exzesse bei. Ein römischer Kaiser zwischen zwei Orgien.
    »Was genau ist eigentlich Leck-mich-Geld?«, fragte ich ihn.
    Er nahm sich zwei Pommes frites, tauchte sie in seinen Ketschup Berg und warf sie sich in den Mund, wobei die beiden Enden für einen kurzen Moment zwischen seinen Lippen hervorragten wie die Beine des entbehrlichen Castmitglieds, das von einem Spielberg-Dinosaurier verschlungen wird. »Es ist Geld«, sagte er zwischen geräuschvollen kauenden Schmatzern, »das es dir erlaubt, zu jedem >Leck mich< zu sagen: deinem Boss, deiner Familie, Exfreundinnen, wem auch immer. Zu jedem, von dem du dich je zur Schnecke machen lassen musstest, weil du von ihm abhängig warst. Jetzt bist du dein eigener Boss. Du brauchst niemanden mehr.«
    Ich sah ihn über den Tisch hinweg an. »Das heißt, ich bin quitt.«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Mich braucht auch niemand.«
    Owen setzte eine gespielte traurige Miene auf, dann grinste er schelmisch und sagte: »Ich brauche dich.«
    Mit dem Geld hatte er Recht. Damit habe ich mir meine neue Wohnung gekauft, mein neues Mercedes-Cabrio - ein CLK 430 - und seinen sündhaft teuren Parkplatz, eine lächerlich große Home-Entertainment-Anlage und eine Reihe anderer zu erwartender Luxusgegenstände. Und ich hatte Recht damit, dass niemand mich braucht; eine Tatsache, vor der ich im Allgemeinen mittels eines ausgeklügelten Systems sorgfältig angewandter Abwehrmechanismen die Augen verschließe. Aber in Anbetracht der Aussicht, meinen Vater und Brad wiederzusehen und nach fast siebzehn Jahren Abwesenheit nach Bush Falls zurückzukehren, wird mich all diese Augenwischerei nicht länger vor dem schützen können, was ich im Grunde meines Herzens die ganze Zeit über gewusst habe: dass ich so ziemlich allein auf der Welt bin. Ich und mein Leck-mich-Geld.
    Habe ich schon meinen Hang zu Selbstmitleid erwähnt? Das gehört zu meinem
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