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Dein ist der Tod

Dein ist der Tod

Titel: Dein ist der Tod
Autoren: Laura Griffin
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1
    Mia Voss benötigte dringend etwas Balsam für ihre Seele. Sehr dringend.
    Normalerweise hätte sie der Versuchung widerstanden. Aber an diesem Tag war überhaupt nichts normal gewesen. Es fing schon damit an, dass heute der siebte Januar war. Und am Ende war sie zum ersten Mal in ihrem Berufsleben ernsthaft getadelt worden.
    Als sie in den kleinen Supermarktparkplatz bog und ihren Jeep Wrangler zu einem freien Platz in der Nähe des Eingangs steuerte, wurde ihr allein beim Gedanken daran wieder heiß. Stocksteif hatte sie im Büro ihres Chefs gestanden und in das Rattengesicht des Mannes hinter dem Schreibtisch gestarrt, der sie mit Kritik überzog. Vollkommen überrumpelt war sie gewesen, ohne ein Wort der Verteidigung hatte sie alles über sich ergehen lassen. Erst jetzt, sechs Stunden danach, fielen ihr die passenden Antworten ein – und eine besser als die andere!
    Gleich nach dem Eintreten wurde Mia geradezu magisch von den Tiefkühlregalen angezogen. Wann, wenn nicht heute, sollte sie sich einen fetten Becher sahniges Eis gönnen? Dies war der erste Donnerstagabend seit Monaten, an dem sie nicht im Labor festsaß. Der erste Donnerstagabend seit Jahren, an dem sie sich mit nichts anderem beschäftigen musste als mit einem rührseligen Frauenfilm, einer kuscheligen Decke und einem supersahnigen Ben-&-Jerry’s-Eis. Heute Abend war Tränendrüsenzeit. Voll Vorfreude auf die dicken Sahnekaramellstückchen zog Mia die Tür des Tiefkühlers auf und nahm sich einen Becher New York Super Fudge Chunk. Nach kurzem Zögern packte sie noch einen Becher Chunky Monkey mit Bananen und Walnussstückchen dazu. Wenn schon, denn schon, dachte sie trotzig. Diese Einstellung hatte sie zwar schon mehr als einmal in die Bredouille gebracht, aber das hielt sie nicht davon ab.
    Â»Doktor Voss.«
    Erschrocken wirbelte sie herum.
    Ein breitschultriger Mann in braunem Mantel stand hinter ihr. Als er sich bückte und nach dem Eisbecher griff, der ihr aus der Hand gefallen war und nun den Gang entlangkullerte, sah sie, dass er auf dem Hinterkopf kahl wurde. Er richtete sich wieder auf und gab ihr das Eis. »Lecker, was?«
    Â»Ã„h, ja. Danke schön.« Angestrengt kramte sie in ihrem Gedächtnis, um ihn irgendwo einzuordnen. Er war Polizist, so viel wusste sie. Aber sie hatte ihn schon länger nicht mehr gesehen, und ein Name zu dem Gesicht wollte ihr partout nicht einfallen.
    Â»Aber nicht ganz so lecker wie Schokominz.« Sein verschmitztes Lächeln ließ ihn großväterlich aussehen. »Das mag meine Frau am liebsten.«
    Sie warf einen Blick in seinen Einkaufswagen: zwei Becher Schokominz und ein Sixpack Bier.
    Als sein Blick auf Mias fellgefütterte Hausschuhe fiel, hob sich eine seiner buschigen grauen Augenbrauen. »Na, auf dem Weg zu einer Pyjamaparty?«
    Mia hatte sich für den Abstecher zum Supermarkt ihr Satinnachthemd nur in die Jeans gestopft, eine alte Strickjacke übergeworfen und war einfach in ein Paar Latschen geschlüpft. Sie sah aus wie einer Anstalt entsprungen – und an einem Tag wie heute musste sie dann natürlich einem Polizisten begegnen, der sie kannte. Tja, was tat man nicht alles für seinen guten Ruf. Der Tag mauserte sich zu einem echten Wendepunkt in ihrem Leben.
    Mia rang sich ein Lächeln ab. »Eher zum Fernsehabend.« Sie sah auf die Uhr und tat einen Schritt in Richtung Kasse.
    Â»Der Film fängt auch gleich an, ich muss also …«
    Â»Lassen Sie sich nicht aufhalten.« Er nickte. »Auf Wiedersehen, Frau Doktor.«
    Als sie ihre Sachen bezahlte, beobachtete Mia ihn im Spiegel über der Kasse. Er legte ein paar Tiefkühlgerichte in seinen Wagen und marschierte dann in den Gang mit Knabberzeug.
    Erst als sie aus dem Parkplatz fuhr, erinnerte sie sich an seinen Namen. Frank Hannigan. Ein Polizist aus San Marcos. Warum war ihr das nicht gleich eingefallen?
    Da spürte sie etwas Hartes im Nacken.
    Â»An der nächsten Kreuzung links.«
    Mia wirbelte herum. Ihre Brust zog sich zusammen. Auf der Rückbank saß ein Mann. Die Pistole in seiner Hand war direkt auf ihre Nase gerichtet.
    Â»Schauen Sie nach vorne auf die Straße !«
    Sie drehte den Kopf wieder nach vorne – gerade rechtzeitig, um einen Telefonmast auf sich zukommen zu sehen. Sie riss den Wagen kurz vor dem Randstein nach links und konnte ihn auf der Straße halten.
    Oh mein Gott, mein Gott, mein Gott.
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