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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1
Autoren: Jonathan Tropper
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auch nie damit gerechnet, dass mein Vater einen schweren Schlaganfall erleiden würde, als er an einem späten Freitagabend in der Turnhalle der Highschool in seiner Basketball-Seniorenliga der Alumni spielte. Cindy zufolge stand er etwa einen Meter links neben der Spitze des Drei-Sekunden-Raums, an der Stelle, die er als seinen »Sweet Spot« bezeichnete. Von dort warf er nie daneben. Er ging für einen Sprungwurf hoch und kam bewusstlos wieder herunter, ausgestreckt auf dem glänzenden Hartholzboden. Sämtliche Augenzeugen, Exsportler in unterschiedlichen Verfallsstadien, werden bis in alle Ewigkeit einen Mordswirbel um die Tatsache machen, dass der Wurf durchs Netz ging. Als würde das auch nur ein verdammtes bisschen ändern. Sweet Spot, allerdings.

3
    Ich beende das Gespräch mit Cindy und verspüre augenblicklich das Bedürfnis, jemanden anzurufen. Das alles ist einfach zu viel für mich, als dass ich mich inmitten der zusammenhanglosen Nachwirkungen meines zertrümmerten Schlummers allein damit befassen könnte. Mein Vater ringt mit dem Tod, und ich werde nach siebzehn Jahren nach Bush Falls zurückkehren. Ich ziehe mir das Telefon ans Ohr und habe eine totale Mattscheibe. Wen zum Teufel will ich eigentlich anrufen?
    Entschlossen, aus meinem Kreislauf bedeutungsloser Beziehungen auszubrechen, habe ich die letzten sechs Monate mit Enthaltsamkeit experimentiert, wofür ich nach ein paar Fehlstarts inzwischen offenbar den Dreh raushabe. Dadurch wurde ich zweierlei: geil und erbärmlich. An allen anderen Tagen verspüre ich entweder das eine oder das andere, aber als ich jetzt im Dunkeln völlig perplex und allein in der riesigen, kargen Ödnis meines übergroßen Doppelbetts liege, der optimistischsten Anschaffung, die ich je getätigt habe, ist es nur noch absolut erbärmlich. Ich überlege, welchen Freund ich anrufen könnte, und bin entsetzt, als mir keiner einfällt, der nicht auf irgendeine Weise in beruflicher Verbindung zu mir steht. Nachdem Bush Falls auf der Bestsellerliste gelandet war, habe ich meinen Job hingeschmissen und bin aus meiner Zweizimmerwohnung in einem Haus ohne Aufzug an der Amsterdam Avenue in eine genossenschaftliche Vierzimmerwohnung an der Central Park West gezogen, und die Metamorphose vom aufstrebenden zum erfolgreichen Schriftsteller hat offenbar dazu geführt, dass mir keine Freunde geblieben sind. Es ist alles eine indirekte, aber nicht weniger akute Manifestation dessen, was ich inzwischen als mein Leck-mich-Geld bezeichne.
    So nennt es Owen. Der Vorschuss war eine Sache: fünfundsiebzigtausend Dollar, abzüglich seiner fünfzehn Prozent natürlich, und dann noch einmal achtunddreißig oder so Prozent an Steuern. Damit sind mir unterm Strich knapp vierzigtausend Dollar geblieben, was sicher nicht zu verachten war, aber wohl kaum das, was unter die Kategorie Leck-mich-Geld fallen könnte.
    »Oprah wählt keine Bücher mehr aus«, erklärte mir Owen eines Tages kurz nach dem Erscheinen von Bush Falls, als wir bei einem Brainstorming in seinem Büro saßen. »Aber wenn man's positiv betrachtet, hätte sie deines sowieso nie ausgewählt. Es hat keine Frauen mit langen Leidensgeschichten, keine Krüppel mit überdurchschnittlichen Leistungen, keine epischen Reisen zu einem neuen spirituellen Bewusstsein.« Das war kaum ein Schock für mich. Offen gestanden war mir immer noch schwindelig von der Überraschung, dass das Buch überhaupt veröffentlicht worden war, ganz zu schweigen von den fünfundsiebzigtausend Dollar Vorschuss, die man mir bezahlt hatte. »Also, was wollen wir unternehmen, um dieses Buch zu verkaufen?«, sagte Owen stirnrunzelnd.
    »Lese Tour?«, sagte ich.
    »Du bist kein bekannter Name.«
    »Werbung?«
    »Dasselbe Problem.«
    »Wie wird man denn ein bekannter Name?«
    »Indem man viele Bücher verkauft.«
    »Okay. Und wie schaffen wir das?«
    Owen sah mich hinter seinem Schreibtisch stirnrunzelnd an. »Oprah.«
    »Ach, ich bitte dich«, sagte ich. »Die Leute haben doch schon Bücher verkauft, bevor es Oprah gab.«
    Er nickte geistesabwesend, gedankenverloren. »Ich habe da eine Idee«, sagte er.
    Owen sorgte dafür, dass Paperbacks Plus, Bush Falls' örtliche Buchhandlung, eine große Stückzahl Erstausgaben kostenlos erhielt. Dann schickte er einen seiner Klienten, der zufällig auch zum Redaktionsstab der New York Times gehörte, nach Bush Falls, um ein paar der im Buch porträtierten Leute aufzusuchen und zu interviewen. Der daraus entstandene Artikel, »Eine
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