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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1
Autoren: Jonathan Tropper
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Gewalt zwischen den Billionen von Neuronen ausbricht, die wie Fußballfans in meiner linken Schläfe zusammenströmen.
    Eine Pause tritt ein. »Was?«, sagt Cindy. Ich rufe mir in Erinnerung, dass der mir eigene ironische Stil bei ihr im Allgemeinen nicht ankommt. Ich mache eine rasche emotionale Bestandsaufnahme und suche nach irgendeiner Reaktion auf die Nachricht, dass mein Vater möglicherweise im Sterben liegt: Trauer, Schock, Wut, Leugnen. Irgendetwas.
    »Nichts«, sage ich.
    Noch eine betretene Pause. »Na ja, Brad hat gesagt, du sollst nicht heute Abend noch kommen, sondern ihn morgen im Krankenhaus treffen.«
    »Morgen«, wiederhole ich dumpf und werfe noch einmal einen Blick auf die Uhr. Es ist bereits morgen.
    »Ja. Du kannst bei uns übernachten, wenn du willst, oder im Haus deines Vaters. Sein Haus liegt genau genommen näher am Krankenhaus.«
    »Okay.« Irgendwo in meinem abflauenden Rausch dringt es zu mir durch, dass meine Anwesenheit erbeten oder vielmehr erwartet wird. Wie auch immer, es ist äußerst ungewöhnlich.
    »Also, was von beidem? Willst du bei uns übernachten oder im Haus deines Vaters?«
    Ein etwas mitfühlenderer Mensch würde vielleicht warten, bis sich der Schock etwas gelegt hat, bevor er mit der kleinlichen Logistik der ganzen Geschichte vorprescht, aber Cindy hat nicht viel an Mitgefühl übrig, wenn es um mich geht.
    »Egal«, sage ich. »Was euch besser passt.«
    »Na ja, hier ist meistens das reinste Irrenhaus, mit den Kindern und allem«, sagt sie. »Ich denke, in euerm alten Haus wirst du glücklicher sein.«
    »Okay.«
    »Dein Vater liegt im Mercy Hospital. Weißt du, wie du dorthin kommst?« Es ist gut möglich, dass ihre Frage ein absichtlicher Seitenhieb auf die Tatsache ist, dass ich seit fast siebzehn Jahren nicht mehr in Falls gewesen bin.
    »Haben sie es versetzt?«
    »Nein.«
    »Dann dürfte es kein Problem sein.«
    Ich kann sie schwach atmen hören, während erneut eine betretene Stille wie ein Krebsgeschwür über die Telefonleitung wuchert. Cindy, drei Jahre älter als ich, war auf der Highschool von Bush Falls das archetypische beliebte Mädchen. Mit ihrem schimmernden dunklen Haar und einem herrlichen Körper, der durch ihr Cheerleader-Training zur Vollkommenheit modelliert wurde, war sie zweifellos die am häufigsten verwendete Muse des feuchten Traums der männlichen Teenager in Bush Falls. Ich selbst habe in meinen Fantasien oft und effektiv Gebrauch von ihr gemacht, zu einem nicht geringen Teil angespornt durch das, was ich an jenem Tag in der Garage sah. Aber jetzt ist sie siebenunddreißig und Mutter von drei Kindern, und selbst am Telefon hört man ihr die Krampfadern an der Stimme an.
    »Na schön«, sagt Cindy schließlich. »Dann sehen wir dich also morgen?«
    »Ja«, sage ich.
    Als ob es ständig vorkommt.

2
    Ich habe Bush Falls nach der Highschool verlassen und bin seitdem nicht wieder dort gewesen.
    Es gab nie einen zwingenden Grund, meine Heimatstadt zu besuchen, und etwa eine Million Gründe, sich von ihr fern zu halten. Meinen Vater zum Beispiel, der noch immer dort lebt, in dem Vierzimmer-Kolonialhaus, in dem ich die ersten achtzehn Jahre meines Lebens verbracht habe, und es ist viele Jahre her, seit wir irgendwelchen Nutzen füreinander hatten. Jedes Jahr, im Allgemeinen etwa um Thanksgiving, ruft Brad an und lädt mich zu sich und Cindy ein, zum Truthahnessen mit der Familie. Aber ich weiß, dass er lediglich die Gelegenheit ergreifen will, sich nobel vorzukommen. Es ist schließlich Brad, mein vier Jahre älterer Bruder, der mich einmal auf die Unfallstation befördert hat, indem er zum Spaß in dem morschen GrandAm unseres Vaters auf mich zuraste, kurz nachdem er seinen Führerschein bekommen hatte, während ich unschuldig in unserem Vorgarten Körbe warf. Der Wagen hielt nicht genau dort, wo mein Bruder es geplant hatte, und ich trug ein gebrochenes Handgelenk und eine ausgerenkte Schulter davon, was wiederum nicht das war, was ich geplant hatte. Später behauptete er, ich sei ihm ohne jede Vorwarnung vor den Wagen gelaufen. Ob mein Vater ihm glaubte oder nicht, spielte keine Rolle, denn am nächsten Abend fand ein wichtiges Spiel gegen Fairfield statt, und Bush Falls zählte auf Brad, dass er die Cougars ein Spiel näher an eine zweite bundesstaatliche Meisterschaft bringen würde. Mein Vater hätte es für ungebührlich erachtet, den Stadthelden zu bestrafen.
    Lernen Sie die Familie kennen.
    Meine Mutter Linda war eine manisch-depressive
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