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Schwarzkittel

Schwarzkittel

Titel: Schwarzkittel
Autoren: Harald Schneider
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1.Hoch hinau s
    Es hätte so ein schöner Tag werden können.
    Mit einem Becher Kaffee in der Hand stand ich im durchweichten Acker und betrachtete die langsam aufgehende Herbstsonne. Nicht zum ersten Mal zuckte ich zusammen, als eine riesige Holztafel über meinen Kopf hinwegschwenkte. Das, was ich hier sah, war unglaublich. Klar, im Fernsehen wurde so etwas ab und an gezeigt. Aber das alles live zu erleben – unfassbar. Die Bilder, die sich mir in den Schädel brannten, veränderten sich von Minute zu Minute. Zeit zum Begreifen blieb mir nicht. Der Fahrer der Sattelzugmaschine stellte sich neben mich und lächelte mir entspannt und vielsagend zu. Die Ladung auf seinem Hänger war für ihn sein tägliches Brot.
    Christin und Michael sowie ihre beiden Kinder liefen nervös und aufgeregt über ihr Grundstück. Ich zog zum wiederholten Male meine Digitalkamera aus der Tasche und fotografierte die vier Glücklichen zusammen mit dem bereits bestehenden Teil ihrer neuen Anschaffung. Vor einer guten Stunde stand hier nur ein Betonkeller. Inzwischen war eine Handvoll Arbeiter dabei, die Erd-geschossdecke aufzulegen.
    Mit der Baufamilie waren Stefanie und ich schon seit vielen Jahren befreundet. Näher kennengelernt hatten wir uns auf einer Geburtstagsfeier von gemeinsamen Bekannten. Meine Frau war sogar die Taufpatin von Christin und Michaels Tochter Mara.
    »Komm mit rein«, winkte mir Christin zu, während sie die Baueingangstür offen hielt.
    Auf dem blanken Rohbetonfußboden ging ich mit ihr durch das unvollendete Haus. »Diesen Ausblick wirst du nie mehr haben«, sagte ich zu ihr und zeigte aus dem Wohnzimmer hinaus nach oben in Richtung Himmel.
    »Ja, das ist schon Wahnsinn, Reiner. In einer halben Stunde wird die Decke auf unserem Wohnzimmer liegen und anschließend geht es gleich mit dem Obergeschoss weiter. Bis morgen früh sollen die Ziegel auf dem Dach liegen.«
    Ich bereute es nicht, heute ausnahmsweise ein paar Stunden früher aufgestanden zu sein. Bis zum Dienstbeginn war noch ein wenig Zeit, stellte ich mit einem prüfenden Blick auf meine Armbanduhr fest. Also schaute ich mich weiter um. Selbst die Fenster waren bereits komplett mit den Rollläden in die Außenwände eingebaut. Mara und Johannes spielten in ihrer neuen Bleibe Verstecken, was die Arbeiter aber nicht im Geringsten zu stören schien. Die Routine war ihnen deutlich anzusehen.
    Michael klopfte mir auf die Schultern. »Toll, was? Übrigens, Stefanie kommt nachher auch. Sie muss aber erst die Kinder zur Schule bringen.« Er sah mir mit einem Lächeln fest in die Augen. »Vor zwei Wochen scheint ihr mächtig zusammen gefeiert zu haben, wie sie mir erzählte.«
    Wie recht Michael hatte. Vor fast zwei Jahren war meine Frau Stefanie mit unseren beiden Kindern Paul und Melanie aus der gemeinsamen Doppelhaushälfte im Neubaugebiet Schifferstadt ausgezogen. Sämtliche Bemühungen, sie zur Rückkehr zu bewegen, waren in
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    der Vergangenheit stets gescheitert. Doch dann passierte es. Samstagvormittags klingelte es plötzlich an meiner Haustür. Ohne vorherige Ankündigung kam Stefanie zusammen mit Paul, Melanie und ihrer Mutter zu Besuch. Ich mochte meine Schwiegermutter nicht besonders, doch an besagtem Samstag war sie ein Segen. Sie nahm die Kinder für eine Nacht mit zu sich nach Frankfurt. Diese Nacht hatte alles verändert. Ohne näher auf die Details dieser Stunden eingehen zu wollen, verabredeten wir, dass sie mit den Kindern in den Herbstferien testweise wieder zurückkommt.
    »He Reiner, ist das dein Handy, das da in deinem Wagen wie Herbert Grönemeyer vor sich hinwinselt?«, riss mich Christin aus meinen Gedanken.
    Ich streckte pantomimisch ein Ohr in die Luft. »Ich höre nichts.«
    »Du Spinner, klärst du deine Mordfälle auch immer so gewissenhaft auf?«, grinste sie mich an. »Du musst schon rausgehen, damit du es hörst. Vorausgesetzt, der Anrufer ist hartnäckig genug.«
    Ich schritt hinaus ins Freie und ging zu meinem Wagen. Dass ich mein Diensthandy im Auto liegen ließ, war nichts Ungewöhnliches. Dass es eingeschaltet war, schon.
    Der Anrufer war hartnäckig. »Palzki«, meldete ich mich, ohne vorher auf das Display zu schauen.
    »Ich bins, der Gerhard«, begrüßte mich mein Freund und Kollege. »Wo treibst du dich denn herum? Normalerweise liegst du um diese Zeit doch in den Federn und träumst von besseren Zeiten.«
    »Ich habe die besseren Zeiten inzwischen gefun den, deshalb bin ich jetzt Frühaufsteher«, frotzelte ich
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