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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1
Autoren: Jonathan Tropper
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Also das, sagt er begeistert, nenne ich eine Beerdigung.

37
    Wir treten aus der Kirche in ein tosendes Gewitter, der Regen prasselt in Strömen und hämmert wie verrückt auf die Stufen vor der Kirche, schluckt Licht und Geräusche gleichermaßen und verleiht unserer Umgebung die körnige, matte Struktur eines Zeitungsfotos. Im Kino würden nun überall nach Art einer Beerdigung schwarze Regenschirme sprießen, aber hier kommen auch rote und gelbe zum Vorschein, helle, absichtliche Farbkleckse, die sich über die gedämpften Grautöne des Tages legen.
    Die sechs von uns, die von Wayne zu seinen Sargträgern bestimmt wurden, steigen zum Fuß der Treppe hinunter, um an einer diskreten Kellertür zu warten, wo wir den Sarg in Empfang nehmen und zu dem wartenden Leichenwagen hinüber rollen werden. Die Sargträger sind Brad, Jared, Victor Hargrove, ein unscheinbarer Onkel, Coach Dugan und ich. Ich bin etwas verblüfft von dieser posthumen Respektsbekundung für Dugan und verspüre eine empörte Wut auf Wayne in mir aufflackern, dafür, dass er diesem Mann offenbar vergeben hat und mich mit den Resten meiner Wut allein lässt.
    Wir haben den Sarg nicht weit zu tragen, aber wenn man ihn mit beiden Händen hält, kann man unmöglich' auch noch einen Schirm tragen, und in der vielleicht einen Minute, die wir brauchen, um Wayne von der Kellertür zum Straßenrand zu rollen, werden wir alle gründlich durchnässt. Der Leichenwagen wartet im Leerlauf am Straßenrand, und der Fahrer und ein zweiter Helfer stehen an der offenen Heckklappe, mit zwei aufeinander abgestimmten, professionellen Trauermienen. Ich stelle mir vor, wie sie irgendwo in einem Hinterzimmer diese Mienen voreinander einstudieren, jeder Variante vielleicht sogar einen Namen geben und sich dann vor Lachen ausschütten. Sie treten vor, um uns zu helfen, den Sarg auf die Stahlschienen des Wagens zu führen, wobei sie uns Instruktionen zuflüstern wie Bühnenanweisungen, und ich spüre, wie der Klumpen in meiner Kehle schaudert und sich in heiße Flüssigkeit auflöst, während Wayne in ein Frachtgut verwandelt wird.
    Wir stehen im Regen da und sehen zu, wie der Leichenwagen davonfährt. Es wird keine Prozession geben, da sein Ziel das Krematorium in Noark ist, zwei Städte weiter. Carly und ich werden morgen hinfahren, um Waynes Asche abzuholen. In der Zwischenzeit werden wir versuchen, uns zu überlegen, was wir damit machen sollen. Jemand klopft mir auf die Schulter. Ich denke, es ist Carly, und wende mich um, aber stattdessen ist es Dugan, der gebeugt unter einem kompakten blauen Regenschirm steht. »Goffman«, sagt er. »Ich würde gern ein Wort mit dir reden.«
    Ein reflexartiger Schauder durchzuckt mich, aber ich sehe ihm ins Gesicht und schaffe es sogar, vorsichtig etwas Blickkontakt aufzunehmen. Die Haut um seine Augen ist rissig und aufgesprungen, und die verhärteten Hautfalten sind dabei, tiefe Furchen zu bilden, aber die Augen selbst, dunkel und ausdrucksvoll, fordern immer noch Aufmerksamkeit. »Danke für das, was Sie neulich in der Turnhalle getan haben«, sage ich, nicht so sehr, um ihm zu danken, sondern vielmehr, um einen Teil der nervösen Energie entweichen zu lassen, die in meine Brusthöhle strömt. »Es hat Wayne viel bedeutet.«
    Er tut meine Bemerkung mit einem ungeduldigen Stirnrunzeln ab. »Ich hatte ein paar lange Gespräche mit deinem Vater, als dein Buch erschien«, sagt er ohne Vorrede, die Augen energisch zusammengekniffen, das Gesicht vom Regen mit einer glänzenden, nassen Schicht überzogen. »Wir haben viel über Wayne geredet, darüber, inwiefern wir mit der Situation damals vielleicht nicht gut umgegangen sind. Art war verletzt von deinem Buch, aber er fand, dass du in manchen Punkten durchaus Recht hattest, und er war stolz auf dich.«
    Ich nicke und kämme mir mit den Fingern mein durchnässtes Haar nach hinten. »Danke. Das weiß ich zu schätzen.«
    »Ich fand, das Buch war ein Haufen Pferdemist«, fährt Dugan fort, ohne einen Takt auszusetzen. »Das bösartige Werk eines erbärmlichen Dreckskerls, der nur jemanden gesucht hat, dem er die Schuld in die Schuhe schieben konnte.«
    Ich nicke wieder und versuche ein vorsichtiges Grinsen, aber es kommt falsch herüber, da all meine Gesichtsmuskeln völlig am Ende sind und abgespannte Nerven anstatt selbstbewusste Geistesschärfe widerspiegeln. »Sie werden verstehen, wenn ich Sie nicht um einen Klappentext für den Umschlag meines nächsten Buchs bitte.«
    »Du bist ein
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