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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1
Autoren: Jonathan Tropper
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kann, auch wenn ich mir nicht sicher bin, dass ich in der versöhnlichen Stimmung bin, um meinen Tonfall ihnen anzupassen. »Von einem Arschloch lässt sich viel lernen.«
    Dugan lächelt darüber, und es ist das erste Mal überhaupt, dass ich ihn lächeln sehe. »Ich nehm's an.«
    Ich sehe ihm nach, als er sich entfernt, noch immer an seiner Zigarre paffend. Von hinten ist ihm sein Alter weitaus deutlicher anzusehen, an der gebückten Haltung und den schlaff herunterhängenden Schultern unter seiner Basketballjacke. Später werde ich mir dieses Gespräch noch einmal durch den Kopf gehen lassen und nicht ganz sicher sein, was genau eigentlich dabei herausgekommen ist. Ist es meine Vergebung oder seine eigene, über die wir soeben verhandelt haben? Aber in diesem Augenblick empfinde ich nur eine unbestimmte Befriedigung darüber, dass eine Art Annäherung erreicht worden und ein lange schwelender Kampf zu Ende ist. Ich mag ihn nicht mehr als zuvor, aber vielleicht hasse ich ihn etwas weniger, und ich denke, das ist doch immerhin schon etwas.
    Als Carly mich ein paar Minuten später findet, stehe ich noch immer an derselben Stelle und starre in den Regen. »Du bist ja ganz durchgeweicht«, sagt sie, zieht mich unter ihren Regenschirm und wischt mir mit den Fingern das Gesicht ab. Auf der Unterseite des Schirms ist eine Reproduktion der Decke der Sixtinischen Kapelle. »Ich habe mich schon immer gefragt, wer diese Sachen eigentlich kauft«, sage ich.
    »Worum ging es denn bei euch die ganze Zeit?«
    Ihre Augen sind von verlaufenem Mascara schwarz und verschmiert, und sie sieht aus wie ein kleines Mädchen, das mit dem Make-up seiner Mutter gespielt hat. Ich küsse sie auf die Wange, und wir lehnen uns mit der Stirn aneinander. »Nichts«, sage ich. »Ich weiß nicht.« Auf einmal bin ich erschöpft, und ich will nichts weiter, als mit ihr ins Bett zu schlüpfen und die nasse Kälte aus unseren Knochen zu schlafen. Carly umarmt mich, und es fühlt sich gut und richtig an, und irgendwann sind wir mit dem Weinen fertig, auch wenn sich bei dem ständigen Sprühregen auf unseren Gesichtern unmöglich sagen lässt, wann genau.

38
    Wayne und ich haben den Basketballring in meiner Auffahrt früher oft auf etwa zweieinhalb Meter gesenkt, um unsere Alley-Oops, Tomahawks und Reverse-Dunks üben zu können. Im Laufe der Zeit führte diese Praxis dazu, dass sich die Schrauben, mit denen der Ring am Korbbrett befestigt war, allmählich lockerten, sodass jedes Mal, wenn der Ball mit einem beliebigen Teil des Korbs in Berührung kam, ein bestimmtes schepperndes Geräusch entstand. Es ist viele Jahre her, seit ich dieses Geräusch zuletzt gehört habe, aber als ich jetzt im Arbeitszimmer sitze und an meinem Roman schreibe, erkenne ich es augenblicklich, und als ich vors Haus trete, sehe ich Brad, wie er Körbe wirft, noch immer in der Anzughose und den Loafern, die er an diesem Tag zu Waynes Beerdigung anhatte. »Hey«, sagt er, als ich auf die Veranda trete. »Wollen wir ein paar Körbe werfen?«
    Ich gehe in die Auffahrt hinunter und fange seinen Pass. »Na klar.« Die Auffahrt ist noch nass vom Regen, und der Ball ist mit einem nassen Film aus Asphaltschotter überzogen. Ich trete einen Schritt näher und werfe einen leichten Brettwurf, zu nah, als dass man ihn noch gelten lassen könnte, aber Brad wirft mir den Ball trotzdem zu. Im schwindenden Tageslicht werfen wir schweigend ein paar Körbe, und die einzigen Geräusche sind das Zirpen der Grillen und das harte, lederne Aufklatschen des Balls auf dem feuchten Asphalt.
    »Das war vielleicht etwas auf der Beerdigung heute, was?«, sagt Brad schließlich. Sein Tonfall ist beiläufig, aber seine Haltung verrät eindeutig Entschlossenheit.
    »Allerdings«, sage ich und werfe den Ball noch einmal hoch, der vorn auf den Korbring aufschlägt und glatt in Brads Händen landet. Er versenkt einen Unterhandkorbleger, schnappt sich seinen eigenen Rebound und dribbelt raus, um einen Drei-Punkte-Wurf zu werfen. Er beherrscht den Ball noch immer tadellos, und als er zu seinem Wurf ansetzt, besteht kein Zweifel, dass er ihn versenken wird.
    »Ich habe an dem einen Abend neulich ein paar Dinge zu dir gesagt«, sagt er, als ich seinen Rebound fange.
    »Alle berechtigt.«
    »Trotzdem, ich bin nicht froh darüber, wie wir auseinander gegangen sind.«
    »Nicht doch. Ich habe niemanden im Leben, der mir einen Arschtritt gibt, wenn ich über die Stränge schlage. Ich glaube, ich habe es gebraucht.«
    Ich
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