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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1
Autoren: Jonathan Tropper
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Geräusch vom Eingang der Kirche, und wir wenden uns alle gleichzeitig um und sehen Coach Dugan, der den Gang hinunterschreitet, in seiner wettergegerbten Cougars-Jacke über einem weißen Oxfordhemd und einer weinroten Krawatte mit Paisleymuster. Er geht bis nach vorn und führt eine kurze, leise Zwiesprache mit Waynes Mutter. Einen Augenblick später nickt sie, und Dugan tritt vor an den Fuß des Altars und hält eine etwas kürzere Besprechung mit Father Mahon ab. Offenbar erstreckt sich Dugans Machtbereich bis auf die Kirche, denn der Priester nickt, und Dugan wendet sich um und geht den Gang wieder hinunter. Unsere Blicke treffen sich für eine Sekunde, und ich sehe zu meiner Überraschung, dass er freundlich nickt. Ich nicke zurück und komme mir dann wie ein Idiot vor, als ich merke, dass ich versehentlich ein Lächeln aufgefangen habe, das für Brad gedacht war.
    »Ich weiß, dass sich Wayne eine intime Feier gewünscht hat«, verkündet Father Mahon. »Aber es gab da eine kleine ... Abweichung. Ich habe dem Coach erklärt, dieser Gottesdienst sei nur für die Familie gedacht, und er wies mich darauf hin - zu Recht, wie ich meine -, dass wir, indem wir unsere Definition des Wortes Familie erweitern, diese Veränderung vornehmen können, ohne Gefahr zu laufen, Wayne einen schlechten Dienst zu erweisen. Genau genommen bin ich mir sogar sicher, dass er sich durchaus gefreut hätte.«
    »Was ist denn los?«, flüstert Jared mir zu.
    »Keine Ahnung.«
    »Seht mal«, sagt Carly.
    Wir drehen uns zum Eingang der Kirche um, wo Dugan die offene Doppeltür verkeilt hat, und auf einmal zieht eine ganze Parade von Männern in blau-weißen Cougars-Jacken durch die Tür in die Kirche ein. Alle Altersklassen sind vertreten, von Männern in den Sechzigern bis hin zu Jungen, die vermutlich in Dugans gegenwärtigem Team spielen. Die älteren Männer haben denselben eigenartigen Gang, den mein Vater besaß, bei dem jeder Schritt von gekrümmten Beinen und ruinierten Knien geprägt ist. Sie haben ihre Beerdigungsmienen aufgesetzt, ernste, verlegene Gesichter, die ein tief verwurzeltes Unbehagen verraten. Nicht der Tod selbst, sondern die Tatsache, in der Gegenwart der Trauernden zu sein, ist der Grund für dieses Unbehagen. Die Jüngeren blicken ebenfalls nicht gerade glücklich, aber grimmig entschlossen, und man kann das Feuer von Dugans Anweisungen in ihren Augen erkennen. Allmählich, unter dem Geräusch quietschender Bohlen, knarrender Bänke und dem tiefen Rumoren ihres vereinten Schlurfens füllen die gegenwärtigen und ehemaligen Cougars die Reihen, bis die Kirche bis auf den letzten Platz besetzt ist. Hinten am Eingang steht Coach Dugan und überwacht diese düstere Prozession - mit ungeduldiger und strenger Miene, als sei er drauf und dran, dem ganzen Trupp vierzig Runden durch die Kirche aufzubrummen, falls sie es nicht auf Anhieb richtig hinbekommen sollten.
    Und jetzt ist der gesamte hintere Teil der Kirche ein stehendes Meer aus Blau und Weiß, und so inszeniert die ganze Geschichte auch sein mag, hat sie doch etwas Erhabenes und Majestätisches, etwas unleugbar Reales, und es verfehlt seine Wirkung nicht. Ich werfe einen Blick auf Jared und Brad, die zu meiner Rechten sitzen, und sehe, dass sich beide die Tränen aus den Augen wischen. Auf meiner anderen Seite sind Carlys Augen ebenfalls feucht geworden, und so fühle ich mich schon ein bisschen besser mit meiner eigenen zugeschnürten Kehle und der übermäßigen Feuchtigkeit auf meinen Wangen. Ich nehme Carlys Hand und ziehe sie an mich. »Das hätte ihm gefallen«, flüstere ich.
    »Ich weiß.« Sie drückt meine Hände und schnieft und wischt sich die Tränen sanft an meinem Sakko ab.
    Father Mahon räuspert sich und beginnt den Gottesdienst, aber seine Stimme bricht bei der ersten Silbe, und er muss sich eine Minute Zeit lassen, um sich zu sammeln. Kaum hat er das getan, wird er von einem lauten Wehgeschrei unterbrochen, als in der ersten Reihe irgendetwas in Mrs. Hargrove ausrastet, das dem Druck nicht mehr standhalten kann, und sie in einem hysterischen Weinkrampf an der Seite ihres Mannes zusammenbricht. Ich freue mich für Wayne und hoffe, dass er, wo immer er ist, sehen kann, dass seine Mutter endlich den Durchbruch geschafft hat. Ich spüre, wie sich meine eigene Brust unfreiwillig zusammenzieht, und Carly weint in meine Schulter, während Jared zusammenbricht und sich in Brads offene Arme lehnt. Waynes Stimme spricht auf einmal ungebeten in meinem Kopf.
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