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Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E

Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E

Titel: Krúdy, G u. Szerb, A u. Szép, E
Autoren: Ich liebte eine schöne Frau: Miniaturen
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Genius Loci – Budapest

    »Gott mit dir, o Budapest, du süßes, unser süßes Leben, Gott mir dir …«, sang die Schauspielerin Vera Sennyei in dem ersten ungarischen Musical, ›Drei Nächte einer Liebe‹, das 1960 uraufgeführt wurde. Das vom Schicksal des ungarisch-jüdischen Dichters Miklós Radnóti inspirierte Stück sollte der seligen Vorkriegszeit mit ihrer blühenden Kultur und freimütigen Atmosphäre ein Denkmal setzen. Die Verheerungen des Krieges – die unter anderem die Zerstörung sämtlicher Donaubrücken zur Folge hatten – bedeuteten auch eine symbolische Zäsur in der Geschichte der Metropole. Alles, was davor gewesen war, erschien wie ein Idyll, so wie es Radnóti in einem erst nach seinem Tod entdeckten Gedicht heraufbeschworen hatte:

    »Milde Abende einst, zu Erinnerung ihr euch veredelt!
    Glänzend mit Dichtern und jungen Ehefrauen bekränzter
    Tisch, wohin schlitterst du auf dem Schlick der vergangenen Zeit?«

    Dabei war jenes Budapest, das im Zweiten Weltkrieg unterging, nur noch ein Schatten der Stadt, die um die Jahrhundertwende an der Donau florierte. Dies gilt vor allem für die schönen Künste und Geisteswissenschaften, deren wahre moderne Renaissance noch der heutigen Generation Impulse gibt.

    Im Zentrum der ungarischen Moderne stand die 1908 gegründete Literaturzeitschrift ›Nyugat‹ (Der Westen) mit einer Plejade hervorragender Autorinnen und Autoren, deren Leitstern der Lyriker Endre Ady war, ein Erneuerer der dichterischen Sprache und zugleich Befürworter radikaler Änderungen in der damals noch stark feudal geprägten ungarischen Gesellschaft. Budapest als einzige Großstadt in der östlichen Hälfte der k. u. k. Monarchie, in der sowohl das Großkapital als auch die Arbeiterbewegung präsent waren, spielte gewissermaßen die Rolle des Zugpferdes gegenüber der verschlafenen Provinz, und die kosmopolitische Aura der »Westler« konnte sich nur hier entfalten. ›Nyugat‹ wurde in der ersten Etage des im Stadtzentrum gelegenen Cafés
New York
redigiert. Auf der dortigen Galerie hatte der asketische Redakteur Ernő Osvát seinen Stammtisch. In den folgenden Jahrzehnten veröffentlichte er zwar kaum selbst etwas in seinem Journal, doch warteten vor ihm auf dem »Beichtstuhl« zukünftige Klassiker – damals oft ängstliche Anfänger – auf sein Urteil zu ihren Manuskripten. Von dort schwärmten die Literaten in ihre eigenen Cafés aus, von denen es in Budapest nur so wimmelte.
    Die Strahlkraft der Zeitschrift ›Nyugat‹ erstreckte sich nicht nur über mehrere Generationen, sondern erfasste auch andere Bereiche der Moderne: Zeitgleich gediehen die Laufbahnen der großen Komponisten Béla Bartók und Zoltán Kodály, bedeutender Maler wie József Rippl-Rónai, des Philosophen Georg Lukács und nicht zuletzt des Begründers der Budapester Psychoanalytischen Schule und Weggefährten Sigmund Freuds, Sándor Ferenczi.
    Letzterer fühlte sich besonders stark mit Budapest verbunden. Kurz vor dem Zusammenbruch der Doppelmonarchie wollte ihn Freud dazu bewegen, nach Wien zu übersiedeln: »Ziehen Sie Ihre Libido rechtzeitig vom Vaterlande ab und bringen Sie sie in der Psychoanalyse unter, sonst werden Sie sich unbehaglich fühlen müssen«, warnte der Wiener Meister seinen Kronprinzen in der Donaustadt. Dabei entging Freud offensichtlich, dass Budapest nicht mit Ungarn gleichzusetzen war. Die Stadt verkörperte vielmehr die zukünftigen Möglichkeiten des Landes, war eine Art Ungarn im Konjunktiv: modern, westlich, dynamisch und liberal. Vielleicht hätte das Land sich auch dahin entwickelt, wenn das 20. Jahrhundert nicht eben das 20. Jahrhundert gewesen wäre.
    Nach dem Scheitern der Republik 1918 sowie der Räterepublik 1919 ritt Admiral Miklós Horthy auf einem Schimmel in Budapest ein und schickte eine merkwürdige Botschaft voraus: »Hier, am Donauufer, rufe ich die ungarische Hauptstadt zu Gericht. Diese Stadt hat ihre tausendjährige Geschichte verleugnet, diese Stadt hat die Heilige Krone und die Farben der Nation in den Dreck gestoßen (…) Trotzdem sind wir geneigt, dieser in Sünde gefallenen Stadt zu verzeihen, wenn sie zum Dienst an der Heimat zurückkehrt.« Die Bezeichnung Budapests als »sündige Stadt« im Gegensatz zum »reinen Dorf« war eine Konstruktion, der angesichts des jüdischen Bevölkerungsanteils der Metropole von 24 Prozent eine unverhohlen antisemitische Konnotation anhaftete.

    Kein Wunder, dass die Millionenstadt der Generation von Gyula
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