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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1
Autoren: Jonathan Tropper
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seinen theatralischen Schiedsrichterstil der alten Schule in der Little League von Bush Falls bekannt ist. Noch zwei Paare, die ich nicht kenne und für Verwandte von auswärts halte, folgen den Hargroves den Mittelgang hinunter. Ich grüße Mrs. Hargrove mit einem Kopfnicken und gebe mich völlig damit zufrieden, es dabei zu belassen, aber Carly tritt vor und gibt ihr düster die Hand, sodass mir keine andere Wahl bleibt, als ihr zu folgen. »Mrs. Hargrove«, sagt sie. »Es tut mir so Leid. Wir haben ihn so geliebt.«
    Mrs. Hargrove nickt und sieht dann zu mir. Aggressiv mustert sie meine Augen wie bei einem Netzhautscan, als wollte sie mich warnen, auch nur den leisesten Schimmer eines Urteils zu bekunden. Ihre Hand ist schlaff und trocken in meiner, ein kleines, totes Tier, das in ein Papiertaschentuch gewickelt ist, und ich nicke einmal und sage einen förmlichen Beileidsspruch auf. Der Händedruck von Waynes Vater ist hart und klamm, und er hält meine Hand noch eine Sekunde länger und zwingt mich, ihm in die Augen zu blicken. »Danke, Joe«, flüstert er mit einer Stimme, die heiser und unsicher ist und, wie mir jetzt erst auffällt, Waynes so sehr ähnelt. »Danke für alles.«
    Tränen treten ihm in die Augen, und einen entsetzlichen Moment befürchte ich, dass er mich zu einer Trauerumarmung an sich drücken wird. Mrs. Hargrove, offensichtlich nicht glücklich mit dieser Entwicklung der Dinge, klammert sich mit einer Hand an seinen Arm und führt ihn weiter, auf die vorderste Bank zu. »Reiß dich zusammen, Victor«, ermahnt sie ihn. »Um Himmels willen.«
    Brad und Jared stoßen ein paar Minuten später zu uns. Brad trägt eine Anzughose und seine Cougars-Jacke und Jared einen marineblauen Anzug ohne Krawatte. Er hat sich für den Anlass das Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und seine Augen sehen ein wenig verquollen aus, als ob er geweint hat. Brad setzt Jared an unserer Bank ab und geht dann nach vorn, um Waynes Eltern sein Beileid auszusprechen. Als er zu unseren Plätzen zurückkehrt, sehe ich, dass er sich diskret eine Träne aus dem Augenwinkel wischt, und ich verspüre wieder diese unerklärliche Zuneigung für ihn in mir aufwallen, die mich immer wieder überrascht hat, seit ich nach Falls gekommen bin. »Hey, Joe«, sagt er und beugt sich vor, um mir die Hand zu geben. »Es tut mir wirklich leid.« Wir haben uns seit jenem Abend bei ihm zu Hause nicht mehr gesprochen, und er muss wissen, dass Jared und ich immer noch Zeit zusammen verbringen, aber wenn er immer noch sauer auf mich ist, dann lässt er es sich jedenfalls nicht anmerken.
    »Das ist eine schöne Geste«, sage ich und zeige auf Brads Basketballjacke. »Wayne hätte sich darüber gefreut.«
    Brad zuckt die Schultern. »Das ist Tradition.«
    Noch ein paar vereinzelte Trauergäste treffen in den nächsten Minuten ein. Ich erkenne Paul Barrow, Waynes Arzt, und Dave Sykes und Stan Rydell, zwei Typen, die auf der Highschool mit uns in eine Klasse gingen, und eine kleine Gruppe von Männern und Frauen, die entweder Kollegen von Mr. Hargrove oder Mitglieder der Kirchengemeinde sind.
    Wayne hatte um eine kleine Feier nur für die Familie und ein paar Freunde gebeten, und so steigt Father Mahon, nachdem er im Flüsterton ein paar Worte mit Mrs. Hargrove gewechselt hat, zum Altar hoch und beginnt, in seinem Gebetsbuch zu blättern. Ich erinnere mich, wie Father Mahon früher immer einen kleinen Tanz vollführte, wenn er einen Strikeout verkündete, wie er ein Knie hoch in die Luft riss und dann die Faust nach vorn streckte, während er »Steerike three!«, brüllte. Ich blicke zu Brad hinüber und sehe, dass er lächelt. Er wendet sich zu mir um und formt mit den Lippen still die Worte steerike three. Ich nicke, und wir lächeln, wie Brüder.
    Zwei feierliche Männer mit identischen Schnurrbärten und schwarzen Anzügen rollen den Sarg den Gang hinunter und machen vor dem Altarraum Halt. Wayne war entschieden dagegen, sich einbalsamieren zu lassen, und so ist ein geschlossener Sarg im Grunde die einzige Option, was mir sehr recht ist, und nach den erleichterten Mienen auf Carlys und Brads Gesichtern zu urteilen, denke ich, dass sie genauso empfinden. Nur Jared runzelt die Stirn und scheint leicht enttäuscht, nachdem er mit der Absicht gekommen ist, seine erste Leiche zu Gesicht zu bekommen und sich mit dem Tod und seinen eigenen Vorstellungen von der Sterblichkeit auseinander zu setzen.
    Als Father Mahon eben beginnen will, kommt ein
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