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Das Spiel geht weiter

Das Spiel geht weiter

Titel: Das Spiel geht weiter
Autoren: Nora Roberts
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1. K APITEL
    Als der Motor ihres Wagens eine Meile vor Las Vegas stotterte und schließlich endgültig aufgab, erwog Darcy Wallace ernsthaft, einfach zu bleiben, wo sie war, und unter der erbarmungslosen Wüstensonne zu verdorren. Sie hatte noch genau 9 Dollar 37 in der Tasche und eine lange Fahrt hinter sich, die nirgendwohin führte.
    Dass sie diese klägliche Summe überhaupt noch besaß, war pures Glück, denn am vergangenen Abend hatte man ihr in einem Imbiss gerade außerhalb von Utah die Handtasche gestohlen. Das aufgeweichte Hühnchensandwich war wohl die letzte Mahlzeit für sie gewesen, und das Zehncentstück, das sie zufällig noch in ihrer Hosentasche gefunden hatte, auch das letzte Wunder, auf das sie hoffen konnte.
    Ihren Job und ihr Zuhause in Kansas hatte sie aufgegeben. Sie hatte keine Familie mehr und nichts, wohin sie zurückkehren konnte. Ihr war nichts anderes übrig geblieben, als ihre wenigen Habseligkeiten zu packen und alles hinter sich zu lassen.
    Nach Westen war sie nur gefahren, weil ihre Kühlerhaube in diese Richtung gezeigt hatte, und sie hatte es als ein Zeichen genommen. Sie hatte sich ein Abenteuer versprochen, eine ganz persönliche Odyssee – und ein neues, besseres Leben.
    Nur von all den Frauen zu lesen, die der Welt mutig die Stirn boten und sich ihren eigenen Weg suchten, war nicht mehr genug gewesen. Es war Zeit, selbst etwas in Angriff zu nehmen.
    Wenn sie geblieben wäre, wäre sie in ihren alten Trott zurückgefallen. Wieder. Sie hätte getan, was man ihr sagte. Wieder. Und wäre ihr restliches Leben von unerfüllten Träumen und nagender Reue verfolgt worden.
    Doch jetzt, eine lange Woche nachdem sie sich mitten in der Nacht davongeschlichen hatte, begann sie sich zu fragen, ob ihr nicht einfach nur ein ganz normales Dasein bestimmt war. Vielleicht hätte sie sich mit dem, was das Leben ihr bot, zufriedengeben und den Blick gesenkt halten sollen, anstatt ständig nachsehen zu wollen, was hinter der nächsten Wegbiegung liegen mochte.
    Mit Gerald hätte sie ein gutes Leben erwartet, um das viele Frauen sie beneidet hätten. Ein Leben in einem hübschen Heim, mit vollen Kleiderschränken, die der Frau eines wohlhabenden Mannes angemessene Garderobe beherbergten, einem Sommerhaus in Bar Harbor und Winterurlauben in tropischen Gefilden.
    Sie hätte nur das tun müssen, was man ihr sagte. Wann man es ihr sagte. Sie hätte nur ihre Wünsche und Sehnsüchte ein für alle Mal begraben müssen. Es hätte ihr eigentlich nicht schwerfallen dürfen. Schließlich hatte sie ihr ganzes Leben lang nichts anderes getan.
    Doch es war ihr schwergefallen.
    Darcy schloss die Augen und legte die Stirn aufs Lenkrad. Was hatte Gerald nur an ihr gefunden? Es gab nichts Besonderes an ihr. Sie war intelligent und vernünftig, ja, und hatte ein Durchschnittsgesicht. Ihre eigene Mutter hatte sie oft genug so beschrieben. Dabei glaubte sie nicht einmal, dass es so sehr körperliche Anziehung von Geralds Seite war. Auch wenn es ihm wohl gefiel, dass sie klein und zierlich war. Leicht zu dominieren.
    Himmel, er machte ihr Angst.
    Sie erinnerte sich an seinen Tobsuchtsanfall, als sie sich ihr schulterlanges Haar abgeschnitten hatte. Wie eine Herrenfrisur.
    Also mir gefällt es, dachte sie mit einem Anflug von Trotz, während sie sich durch die kurzen goldbraunen Locken fuhr. Und es ist mein Haar.
    Glücklicherweise waren sie noch nicht verheiratet gewesen. Er hatte kein Recht gehabt, ihr zu sagen, wie sie auszusehen, sich zu kleiden und zu benehmen hatte. Und wenn sie nicht aufgab, würde er dieses Recht auch nie bekommen.
    Sie hätte seinen Heiratsantrag gar nicht erst annehmen dürfen. Sie war nur so müde gewesen, so ängstlich, so durcheinander. Auch wenn ihr schon bald darauf die ersten Zweifel gekommen waren und sie ihm schließlich den Ring zurückgegeben hatte, waren ihr sein Zorn und der Tratsch, der mit der ganzen Sache unweigerlich einherging, nicht erspart geblieben. Aber dann hatte sie herausgefunden, dass er verantwortlich dafür war, dass sie ihren Job verloren hatte und ihr die Kündigung ihres Apartments ins Haus geflattert war.
    Er hatte sie verändern wollen. Und du hättest ihm diesen Gefallen fast getan, dachte sie, während sie sich mit dem Handrücken den Schweiß vom Gesicht wischte.
    Zum Teufel damit, entschied sie und rang sich schließlich dazu durch, auszusteigen. Dann hatte sie eben nur noch knappe zehn Dollar, keinen fahrbaren Untersatz und eine Meile Fußmarsch vor sich.
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