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Stadtfeind Nr.1

Stadtfeind Nr.1

Titel: Stadtfeind Nr.1
Autoren: Jonathan Tropper
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Arschloch, Goffman.«
    »Naja, es freut mich immer wieder, von meinen Lesern zu hören«, sage ich, während ich in dem Meer von Regenschirmen verzweifelt nach Carly Ausschau halte, um von ihr erlöst zu werden.
    »Ich bin auch ein Arschloch«, sagt Dugan. Er holt eine Zigarre aus seiner Jackentasche und zündet sie mit einem goldenen Butan-Feuerzeug an, das das geprägte Logo der Cougars trägt. Das Feuerzeug ist kein Standardprodukt, sondern ganz offensichtlich ein Geschenk, und ich frage mich unwillkürlich, welches sonstige Cougars-Zubehör Dugan im Laufe der Jahre wohl angehäuft hat: Krawatten, Hemden, Taschenuhren, Goldfüller. Er pafft ein paar Mal, und wir sehen beide zu, wie der Rauch unter dem Schutz seines Regenschirms hervor schwebt und sich zwischen den Regentropfen wie ein Geist rasch verflüchtigt. »Man macht nichts falsch damit, ein Arschloch zu sein, solange man es verantwortungsvoll tut.«
    »Ich mache es also falsch?«
    »Du hast in diesem Buch eine Menge Scheiß geschrieben, um mich persönlich fertig zu machen.« Dugan sieht mich scharf an, fordert mich zum Widerspruch heraus.
    Ich zucke die Schultern. »Wenn der Schuh passt...«
    Er zieht eine Grimasse, ein Ausdruck irgendwo zwischen Grinsen und Verachtung, und nickt, als wollte er sagen, dass er das in etwa erwartet hat. »Ich will nicht sagen, dass du in manchen Punkten, die du genannt hast, nicht Recht hattest. Aber das Problem war, du hast alles andere mit hineingeworfen, den perversen Scheiß und den Rufmord, und wenn vielleicht etwas Wahrheit darin enthalten war, dann wurde sie darunter begraben. Wenn du es ganz offen geschrieben hättest, hätten die Leute vielleicht akzeptieren können, was du zu sagen hattest. Aber du hast keinen Respekt gezeigt, und so hast du nur alle vor den Kopf gestoßen und deine Glaubwürdigkeit verloren.« Dugan holt einmal tief Luft, und zu meiner völligen Verblüffung sehe ich, dass sein Kiefer zittert. »Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht bereue, wie ich mit Waynes Situation umgegangen bin«, sagt er. »Damals glaubte ich nicht, dass ich irgendetwas falsch machen würde, aber das ist keine Entschuldigung. Einer meiner Jungs hatte Probleme, und ich habe ihn im Stich gelassen. Ich habe eine Weile gebraucht, um das zu begreifen, aber jetzt weiß ich es.«
    Als ob das jetzt noch etwas hilft, denke ich wütend, sage es aber nicht. Alles, was ich an dieser Stelle sage, wird falsch klingen, oder es wird zu richtig klingen; aber in jedem Fall wird es für mich nach hinten losgehen. Also sehe ich ihn einfach nur an und versuche an seiner Miene abzulesen, worum es bei diesem Gespräch wirklich geht.
    »Als er wieder in die Stadt zurückkam, krank, wie er war, da konnte ich den Gedanken nicht abschütteln, dass ich vielleicht in gewisser Weise dafür verantwortlich war und dass es, wenn ich damals anders damit umgegangen wäre ...« Dugans Stimme verliert sich, und so unmöglich es auch erscheint, er kämpft offenbar mit den Tränen. »Wayne muss mich lange Zeit gehasst haben. Aber ich denke, wenn du langsam stirbst, hast du Zeit, Dinge zu überdenken, und er hat beschlossen, dass er nicht mit einem Blick zurück im Zorn aus dieser Welt scheiden wollte, und so hat er mir vergeben. Ich lehre seit fast fünfzig Jahren Basketball. Wenn du irgendetwas so lange lehrst, dann gewöhnst du dich so sehr ans Lehren, dass du sozusagen vergisst, wie man lernt. Aber ich werde etwas aus Waynes Tod lernen, und zwar, dass es eine verdammte Zeitverschwendung ist, an seiner Wut festzuhalten. Es ist eine Verschwendung des Lebens.«
    Jetzt sind tatsächlich Tränen in seinen Augen. Nach all diesen Jahren teile ich mit Dugan einen Oprah-Augenblick. Ich weiß, später werden mir eine Million Dinge einfallen, die ich gern gesagt hätte, Dinge, die die verschiedenen Formen der Wut und Schuld besänftigt hätten, die ich all die Jahre schützend in mir gehegt habe, aber der einzige Teil von mir, der bei dieser historischen Begegnung funktionsfähig zu sein scheint, sind die Muskeln in meinem Nacken, die es mir ermöglichen, zu nicken.
    »Jedenfalls«, sagt Dugan und räuspert sich, während er über meine Schulter blickt, »werde ich zu dir dasselbe sagen, was ich zu deinem Vater gesagt habe. Wir machen Fehler. Sie machen nicht uns. Wenn sie das tun würden, wären wir alle gründlich aufgeschmissen, vor allem zwei Arschlöcher wie wir.«
    Ich grinse über seine letzte Bemerkung und finde schließlich doch ein paar Worte, die ich sagen
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