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Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)

Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Falsch gespielt: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Carin Gerhardsen
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August 2009,
in der Nacht von Samstag auf Sonntag
    Tief sog er die satten Düfte der Nacht durch die Nase ein. Es war vollkommen windstill. Der Mond, der vor einer Weile noch groß und golden direkt über den Baumwipfeln geschwebt hatte, war jetzt im Verschwinden begriffen. Zwischen den Bäumen stand ein Reh und betrachtete ihn mit gespanntem Nacken und aufgerichteten Ohren. Eine Ricke, dachte er. Das war der korrekte Name für ein weibliches Reh, eine Ricke. An ihrer Seite konnte er ein Kitz ausmachen, das unbekümmert im Unterholz nach etwas Essbarem suchte, ohne ihn auch nur im Geringsten zu beachten.
    Gott ist gut, dachte er. Heute Nacht hält Gott seine schützende Hand über uns.
    Er stand allein unter den Sternen, allein auf dem Wanderweg im Waldgebiet Herrängsskogen. Seine Gedanken lösten einander ab, glitten durch sein Bewusstsein, ohne dort Wurzeln zu schlagen. Die Jugendlichen – was taten sie an einem so warmen und klaren Abend wie diesem? Er war noch keinem betrunkenen Teenager begegnet, seit er von zu Hause aufgebrochen war. Vielleicht hatten diese Wochen ohne jegliche Verpflichtungen ihren Tribut gefordert. Vielleicht hatten sie genug von dem unverbindlichen Miteinander und der ganzen Freiheit und bereiteten sich darauf vor, in ihre Käfige zurückzukehren. Und die Obdachlosen, was mochten die gerade tun? Sammelten sie ihre Kräfte vor einem weiteren unbarmherzigen Winter? Die Voraussetzungen dafür waren in diesem Sommer zweifellos ideal gewesen. Was die Fußballmädchen taten, dessen war er sich ziemlich sicher: Sie schliefen, bereiteten sich auf das morgige Punktspiel vor. Die Fortschritte, die sie in den vergangenen Wochen gemacht hatten, und die Einstellung, die die Mannschaft am Donnerstag im Training gezeigt hatte, überzeugten ihn davon, dass es nur ein Ergebnis geben konnte: Sie würden gewinnen. Und es wäre mehr als verdient. All die Stunden, die er selbst und die Mädchen auf dem Rasen geopfert hatten, waren nicht ohne Resultate geblieben.
    Welch ein Sommer. Welch ein Abend. Mit den Pokerkameraden im Långbro Värdshus war es hoch hergegangen. Hering in allen Formen, weltklasse Grillgerichte, ordentlich zu trinken und beste Laune bei allen Beteiligten. Auch bei Janne Siem, der den Kürzesten gezogen hatte, als es ans Bezahlen ging. Aber wer sich ins Spiel begibt, der … Es war nun einmal so, dass die Pokerkasse jedes Jahr verfeiert wurde, und wer am meisten verloren hatte, stand natürlich für den größten Anteil gerade. Dieses Jahr hatte es Siem erwischt, der Fortuna nicht auf seiner Seite gehabt hatte, aber er ließ sich dadurch den Spaß nicht verderben. Auch Staffan Jenner war besser gelaunt als gewöhnlich. Er lebte richtig auf, wenn er zur Pokerrunde stieß, und konnte die Schattenseiten des Lebens für ein paar Stunden vergessen. Der arme Staffan, er sollte wirklich aus diesem Haus ausziehen, das ganze Elend hinter sich lassen und noch einmal von vorne anfangen. Wie Lennart es nach seiner Scheidung getan hatte. Nachdem seine Frau ihn verlassen hatte, war Lennart Wiklund gleich wieder aufgestanden und weitergegangen, immer positiv eingestellt und ein großer Gewinn für gesellschaftliche Ereignisse wie dieses.
    Er zog das Handy aus der Hosentasche, fuhr geübt mit dem Zeigefinger über das Display und wollte das Telefon gerade wieder zurückstecken, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Das Reh schien zu einem Entschluss gekommen zu sein. Ohne Vorwarnung verschwand es mit einem eleganten Sprung zwischen den Bäumen und wurde sofort von der Dunkelheit verschluckt. Das Kitz konnte er nicht mehr sehen, aber vermutlich hatte es denselben Weg eingeschlagen. Der Augustmond war spurlos verschwunden. Er atmete tief ein, und seine Lungen füllten sich mit feuchter Spätsommerluft.
    Gott ist gut, stellte er erneut fest. Heute Nacht ist Gott uns gnädig.
    Ein überwältigendes Gefühl des Glücks und der Dankbarkeit überkam ihn, während er einsam unter den Sternen durch den Herrängsskogen ging.
    Der erste Schuss traf ihn in den Rücken, und der zweite, nachdem er gefallen war, mit großer Präzision in den Nacken.
    Möglicherweise war Sven-Gunnar Erlandssons Gott nicht so empfänglich für erhabene Stimmungen. Er schien blind zuzuschlagen, ohne den Gedanken Beachtung zu schenken, die zur selben Zeit und ganz in der Nähe alles andere als rein und erhaben klangen.
    »Er weiß Bescheid, ich bin sicher, dass er Bescheid weiß. Jahrelang hat er gewusst, was ich getan habe, und
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