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Stadt aus Trug und Schatten

Stadt aus Trug und Schatten

Titel: Stadt aus Trug und Schatten
Autoren: Mechthild Gläser
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die mit Spiegeln und Seidentapeten beklebten Wände in ein geheimnisvolles Schimmern. Stimmengewirr hing in der Luft und verband sich mit den zarten Tönen des Streichquartetts in der Ecke und dem Geruch von Parfums und Rasierwassern zu einer wabernden, duftenden Klangwolke.
    Ich spürte die neugierigen Blicke wie Regentropfen, die auf meine nackte Haut prasselten, als ich mich durch die Menge bewegte.
    »Ist sie das?«, raunte jemand.
    »Keine Ahnung.«
    »Sie sieht ihm gar nicht ähnlich.«
    »Aber ihrer Mutter.«
    »Ich finde sie hübsch. Ein wenig klein vielleicht.«
    Das Flüstern der Wandernden verfolgte mich wie ein Schatten, während ich vom einen Ende des Saals zum anderen schlenderte und … Ausschau hielt.
    Längst hatte ich den Eisernen Kanzler entdeckt, der sich am Kopfende des Saals mit der Dame unterhielt, deren Gesicht wie immer hinter einer Maske verborgen lag. Er sah an diesem Abend umwerfend aus, strahlend jung, das blühende Leben. Nichts in seinem perfekten Gesicht wies darauf hin, welchen Verlust er vor Kurzem erst erlitten hatte. Es lag keine Spur von Hass oder Verzweiflung in seinem Blick, und wenn seine Lippen dann und wann verräterisch zu zucken begannen, dann nur, um sich zu einem Lächeln zu verformen. Ein Lächeln, das mir ein flaues Gefühl in der Magengegend verursachte. Ebenso wie die Selbstverständlichkeit, mit der er sich an den Thron meines Vaters lehnte.
    Ich beschleunigte gerade meine Schritte, um rasch an den beiden vorbeizugehen, als ich einen Gesprächsfetzen aufschnappte.
    »Oh nein, ich glaube nicht daran«, versicherte die Dame dem Kanzler und wiegte das ausdruckslose Maskengesicht. »Das alles sind doch nichts als Märchen.«
    »Ich weiß nicht. Wäre es nicht ein allzu großer Zufall? Der Stein fällt am Tag ihrer Geburt vom Himmel und dann ist sie es, die –«
    Ich hielt inne. Fast meinte ich aus dem Augenwinkel zu erkennen, wie der Kanzler mir zuzwinkerte.
    »Dieses Fest ist wohl kaum der geeignete Ort, um von diesen Dingen zu sprechen«, unterbrach die Dame ihn. Der Kanzler sah nun ganz eindeutig in meine Richtung. Unsere Blicke trafen sich. Noch immer lächelte er. Ja, es war regelrecht ein Strahlen, mit dem er mich bedachte. Es jagte mir einen eisigen Schauer über den Rücken.
    Entschlossen presste ich die Lippen aufeinander und tat, als wende ich mich einer Gruppe ältlicher Damen zu, die gerade die Beleuchtung des Saals bewunderten. Doch mit den Ohren verfolgte ich noch immer die Unterhaltung der beiden.
    »›Ein Stern und ein Mädchen, deren Seelen verbunden.‹ Heißt es nicht so?«, fragte der Kanzler.
    Ein seltsames Gefühl durchzuckte mich bei diesen Worten.
    »Diese Prophezeiung ist das Gerede eines verwirrten alten Mannes, mein Lieber«, sagte die Dame, ihre Stimme fließend wie Honig.
    »Trotzdem konnte sie den Weißen Löwen finden. Wie hätte sie das schaffen sollen, ohne ihn zu spüren?«
    Ich musste alle Willenskraft aufbringen, um mich nicht umzudrehen. Was hatte das zu bedeuten? Von welcher Prophezeiung sprach der Kanzler da?
    Anscheinend war der Dame nun auch aufgefallen, dass ich lauschte, oder etwas anderes hatte sie verärgert. »Schließlich war sie diejenige, die ihn zuvor dort versteckt hatte«, erwiderte sie ungehalten.
    »Schon, doch wo ist er nun? Wie ist es ihr gelungen, ihn ein weiteres Mal zu verbergen?«
    »Ich wiederhole mich nur ungern, doch dieses Fest ist wohl kaum der geeignete Ort für diese Spekulationen.«
    Der Kanzler nickte. »Ja, natürlich. Sie haben recht. Bitte entschuldigen Sie mich, ich habe zu tun. Der Fürst braucht meine Unterstützung bei einer Unterredung von höchster Wichtigkeit«, sagte er und hastete davon.
    Kurz überlegte ich, zur Dame hinüberzugehen, die nun ganz allein neben dem Thron stand und dem Kanzler nachblickte. Ein Stern und ein Mädchen, deren Seelen verbunden. Sollte ich sie fragen, was der Kanzler damit gemeint hatte? Was wusste sie über den Weißen Löwen und mich? Zögerlich machte ich ein paar Schritte auf die Frau mit der Maske zu. Schon öffnete ich den Mund, um sie anzusprechen.
    Doch in diesem Moment betrat Fluvius Grindeaut, begleitet von einer Gruppe grau gewandeter Gestalten, den Saal. Zielsicher steuerte der Großmeister auf den Stand mit den Getränken zu, während die übrigen Kämpfer des Grauen Bundes ihren Job erledigten und sich zu zweit oder dritt an sämtlichen Türen und auf den Fluren postierten.
    Augenblicklich vergaß ich mein Vorhaben. Stattdessen eilte ich erneut quer
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