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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme
Autoren: Anna Tarneke
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dieser Zeit etwas passieren würde, wäre ich dran.
    Zum Glück war unsere Internistin Dr. Alma A. in der Nähe und gab mir sofort grünes Licht. Also schnappte ich mir den Notfallkoffer und rannte mit dem Passanten los, dicht gefolgt von Dr. A..
    Schon von Weitem konnte ich ahnen, was für ein Drama sich unmittelbar vor unserer Tür abgespielt haben musste.
    Ich sah ein völlig zerstörtes Motorrad im Straßengraben, der Fahrer lag regungslos auf der Straße, direkt vor einem Auto. Sein Kopf sah unnatürlich verdreht aus. Der völlig geschockte Autofahrer kniete hilflos neben dem Verletzten und redete nervös auf ihn ein.
    Â»Hallo! Hören Sie mich? Können Sie mich hören? Sind Sie in Ordnung?«
    Nein, das war er definitiv nicht.
    Wir stürzten zu dem Unfallopfer und versuchten gleichzeitig, etwas über seinen Gesundheitszustand und den Unfallhergang zu erfahren.
    Â»Kein Puls«, stellte Dr. A. sofort fest und begann mit der Reanimation.
    Â»Was machen wir mit dem Helm?«
    Â»Gar nichts. Wir müssen von gravierenden Kopfverletzungen ausgehen, der Helm bleibt drauf.«
    Nur die Blende öffnete Dr. A vorsichtig, um die Pupillen des Verletzten kontrollieren zu können.
    Â»Wie ist das passiert?«, fragte ich den geschockten Autofahrer.
    Â»Ich … äh … es ging alles so schnell«, stotterte er. »Ich fuhr in die Kurve, und da sah ich ihn schon. Er hatte sich mit dem Motorrad ganz tief in die Kurve gelegt und dann …«
    Â»Oh Gott«, dachte ich nur und schaute auf den Motorradfahrer.
    Ein junger Mann, der das schöne Wetter für eine Motorradtour nutzen will. Sportlich legt er sich in jede Kurve, fliegt liegend über die Straße und merkt dabei nicht, dass sein Kopf auf die gegenüberliegende Spur geraten ist. Wie aus dem Nichts taucht ein Auto in der Kurve auf, vielleicht hat der Motorradfahrer es noch gesehen, vielleicht hat er noch versucht auszuweichen, vielleicht hat er geahnt, was auf ihn zukommen würde. Doch vermutlich hatte er dafür keine Zeit mehr. Innerhalb von Millisekunden knallte er mit seinem Kopf gegen das Auto.
    In diesem Moment ahnte ich, dass alle unsere Bemühungen umsonst sein würden.
    Leider sollte ich recht behalten.
    Während Dr. A. die Wiederbelebungsmaßnahmen durchführte, rief ich den Notarztwagen, denn trotz der geringen Distanz musste ein Schwerverletzter wie dieser natürlich im Wagen transportiert werden.
    Vorsichtig wurde er in den Rettungswagen gehoben, der ihn die wenigen Meter im Schritttempo bis zur Klinik fuhr. Die ganze Zeit über führte Dr. A. dabei die Wiederbelebungsmaßnahmen durch.
    Nach einer Dreiviertelstunde hörte sie auf.
    Der junge Mann war tot.
    Gestorben vor den Pforten einer Notaufnahme.
    ***
    Natürlich macht der Tod auch nicht vor Ärzten halt.
    Professor Dr. G. war eine Koryphäe auf seinem Gebiet. Einer der besten Anästhesisten, die es in unserem Krankenhaus je gab. Ein 45-jähriger dynamischer Mann, der für seinen Beruf lebte und voller Energie und positiver Ausstrahlung war.
    Als Chefarzt der Anästhesie hatte er die Leitung der Intensivstation inne, unzählige schwer verletzte und kranke Patienten verdankten es nicht zuletzt ihm, dass es ihnen irgendwann besser ging. Er war ein außergewöhnlich fürsorglicher und aufmerksamer Arzt, der wusste, dass nicht nur die medizinische Versorgung notwendig war, um einen Patienten wieder auf die Beine zu bringen, sondern dass man sich auch um das seelische Wohlergehen der betreffenden Personen kümmern musste. Professor G. hatte immer ein offenes Ohr für die Sorgen seiner Patienten, besonders für diejenigen, denen selbst die modernste Medizin leider nicht mehr helfen konnte.
    Es war ihm ein besonderes Anliegen, diesen Patienten einen schmerzfreien Abschied von der Welt zu ermöglichen.
    Â»Keiner muss heute noch Schmerzen erleiden, wenn es zu Ende geht«, hat er immer gesagt. In der Palliativmedizin gibt es noch eine Menge zu tun, und Professor G. war in jedem Fall ein Vorreiter auf diesem Gebiet.
    Ich erinnere mich noch genau an jenen verregneten Novembermorgen, als ich auf die Intensivstation musste. Fünf Jahre liegt das nun zurück. Ich hatte Patientenakten gebracht und sah Professor G. am Bett einer knapp 60-jährigen Frau sitzen.
    Ich kannte die Frau, sie hatte sich schon oft bei uns in der Notaufnahme behandeln lassen müssen. Sie war schwer krebskrank
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