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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme
Autoren: Anna Tarneke
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Jahren haben wir uns im Stiefelknecht kennengelernt. Ich stand an der Theke, und Enrico kam gerade von der Toilette …«
    Â»Ich meinte, was heute passiert ist«, unterbrach ich Hardy S. »Erzählen Sie mir doch, was genau heute passiert ist.«
    Â»Ach so, ja, natürlich«, antwortete er und räusperte sich. »Enrico hatte heute frei. Er wollte alles vorbereiten für unseren Jahrestag. Wir wollten uns einen richtig schönen Abend machen, mit gutem Essen, noch besserem Wein und ein paar ausgesuchten Pornos.«
    Sagenhaft romantisch, dachte ich, sagte aber nichts, sondern nickte nur verständnisvoll.
    Â»Enrico und ich, das passte wie A*** auf Eimer, wie Liz Taylor und Richard Burton«, schluchzte Hardy S. »Wir waren einfach komplett auf einer Wellenlänge. Auch beim Sex passte es, wir mochten es beide richtig schön hart …«
    Ich räusperte mich geräuschvoll und hoffte, dass Hardy S. meinen Wink verstand. Auf ausführliche Beschreibungen seines Sexuallebens konnte ich nun wirklich gern verzichten.
    Â»Was ist denn nun passiert?«, hakte ich vorsichtig nach.
    Â»Als ich heute von der Arbeit nach Hause kam«, sagte er und begann sofort wieder zu schluchzen. »Hing Enrico im Türrahmen … er hatte sich … regelrecht … erhängt …«
    Â»Das tut mir leid«, sagte ich betroffen. Mit einem Suizid hatte ich an dieser Stelle nun wirklich nicht gerechnet. »Warum hat er das gemacht? Haben Sie einen Abschiedsbrief gefunden?«
    Hardy S. kramte ein Taschentuch hervor und putzte sich geräuschvoll die Nase.
    Â»Abschiedsbrief?«, schniefte er. »Nein! Das Ganze war ein Unfall.«
    Â»Sind Sie sicher?«
    Hardy S. lachte bitter auf.
    Â»Ja, todsicher. Enrico trug sein Ledergeschirr, so wie ich es gerne mag. Er hatte seinen Schwanz mit Sprühsahne verziert, er wusste, wie gerne ich diese Kombination an ihm mochte. Nein, das war kein Selbstmord. Das war definitiv ein Unfall.«
    Vor meinem inneren Auge stellte ich mir also einen schwulen Mittvierziger vor, der sich im Ledergeschirr und mit einem Schlagsahne-Penis im Türrahmen fesselte. Und so leid mir Hardy S. auch tat, irgendwie war ich jetzt doch gespannt darauf, wie die Geschichte weiterging.
    Â»Enrico hatte schon immer mit Magnesiummangel zu kämpfen«, sagte Hardy S. unter Tränen. »Ich schätze, dass er mal wieder einen seiner schweren Wadenkrämpfe bekam, als er auf mich gewartet hat. Wahrscheinlich ist er vor Schmerzen zusammengezuckt und hat sich dabei stranguliert … oh Gott, das ist so furchtbar …«
    Ich versuchte erneut, mir die Szene genau vorzustellen.
    Â»Heißt das, er hatte sich mit einem Strick um den Hals im Türrahmen festgebunden?«, fragte ich ungläubig.
    Â»Nein, nicht mit einem Strick. Seine Ledermaske hat hinten ein Halsband«, schluchzte Hardy S.
    Â»Wozu?«, entfuhr es mir erstaunt.
    Â»Wir haben gerne Sklavenspiele gemacht«, erklärte Hardy S. und fand das offensichtlich ganz normal. »Manchmal habe ich ihn stundenlang an der Leine durch die Wohnung geführt. Hätte ich gewusst, dass er irgendwann mal daran stirbt …«
    Der Tod ist eine eigenwillige Angelegenheit. Stets schlägt er unerwartet zu – die einen trifft er im Schlaf, die anderen bei den Vorbereitungen für ein erotisches Tête-à-tête.
    Für einen Moment musste ich an Frank und die anderen Rettungssanitäter denken. Jobbedingt hatten sich die Jungs sowieso schon einen gewissen Galgenhumor zulegen müssen, und ich konnte mir ungefähr vorstellen, wie schwer es ihnen gefallen war, beim Eintreffen in Hardy S.’ Wohnung ernst zu bleiben.
    Â»Tut mir leid, dass Sie Ihren Lebensgefährten verloren haben«, sagte ich ernst und versuchte verzweifelt, das kuriose Bild aus meinem Kopf zu scheuchen.
    Ich hoffte inständig, dass ich eines Tages Glück haben werde und der Tod mich im Schlaf erwischt.
    ***
    Es gab Momente, die ich in meinem ganzen Leben nicht vergessen werde. So wie den Nachmittag, an dem Jürgen und Carla R. in die Notaufnahme gebracht wurden.
    An diesem schönen Julitag war nicht viel los bei uns. Gegen Abend würde es wahrscheinlich mehr werden, dachte ich, wenn die ganzen Grill- und Badeunfälle kamen. Aber noch schien ganz Köln friedlich in der Sonne zu brüten, und die Notfälle hielten sich in Grenzen.
    Jürgen und Carla R. hatten den schönen Tag genutzt, um ihrem
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