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Der Meisterdieb

Der Meisterdieb

Titel: Der Meisterdieb
Autoren: Hans Kneifel
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Hans Kneifel
    Der Meisterdieb
    Ein knallender Peitschenschlag kündigte das Ereignis an. Die erste Gruppe Sklaven wurde hereingetrieben. Sie gingen gebückt über die Stufen des Steges. An einigen Handgelenken und Hälsen klirrten schwere Ketten. Es war nahe Mittag, die Sonne brannte stechend fast senkrecht herunter und trieb den Schweiß aus der Haut. Wieder knallte die goldverzierte Peitsche des obersten Marktaufsehers. Vom Meer herauf kam der Geruch nach totem Fisch und fauligem Wasser.
    Eine Fistelstimme schrie: »Die neuen Sklaven – da sind sie!«
    Aus dem Hintergrund lachte jemand sarkastisch. »Sie sind nicht gerade das, was wir erwartet haben!«
    »Wartet nur ab!« antwortete der Aufseher.
    Auch heute wurde in Sarphand ein Sklavenmarkt abgehalten. Zwar war der Markt eine ständige Einrichtung seitundenklich weit zurückliegenden Zeiten, aber das Angebot erreichte in diesen Tagen eine erstaunlich hohen Anzahl. Es war ein Markt für Käufer, nicht für die Sklavenhändler – es gab zu viele Frauen, Kinder und Männer, die unfrei geworden waren. Dieses Verhältnis verdarb die Preise.
    Eine Reihe von einem Dutzend junger, kräftiger Männer stand im grellen Sonnenlicht. Sie waren fast nackt, und die Sonne zeigte erbarmungslos die Blößen ihrer Körper. Lichtblitze funkelten von den Ketten.
    »Anfangen!« schrie ein bärtiger Sarphander aus dem Schatten hervor.
    Der Sklavenmarkt war ein kleiner Stadtplatz, eingekesselt von schmalen, aber hochragenden Hausfronten. Ein Teil des Platzes war mit hellen Sonnensegeln überspannt, so dass die Bieter meist im Schatten saßen. Hin und wieder warf einer der Hausbewohner einen Blick mäßigen Interesses aus dem Fenster, musterte die menschliche Ware und zog sich wieder zurück. Heute, so ging das Gerücht, sollten sich unter den Sklaven einige bemerkenswerte Delikatessen befinden. Diese Männer dort oben jedenfalls waren nicht das Erwartete.
    Der Aufseher rief das erste Gebot aus. »Ein männlicher Sklave aus den Nordländern. Willig und kräftig, aber er muss von seinem neuen Herrn erst herausgefüttert werden. Darian ist sein Name. Sein Fänger rechnet mit einem Erlös von…«
    Dass Menschen ihresgleichen verkauften und fingen, war in Sarphand eine Selbstverständlichkeit. Seit jeher war die Felsenstadt ein Umschlagplatz für jede Art von Ware gewesen. Ein Bieter nannte für Darian eine lächerliche Summe.
    Der Aufseher, der von jedem Verkauf eine Prämie erhielt und dafür für Ordnung zu sorgen hatte, rief halb lachend über so viel Unverfrorenheit, halb in gespieltem Zorn: »Für dieses Gebot behalte ich ihn selbst. Seht die mutigen Augen und das schmale Gesicht. Die großen Ohren werden begierig jeden Wunsch des Herrn hören, die Augen heften sich aufmerksam auf die Lippen dessen, der ihm befehlen wird. Biete das Doppelte, unbekannter Freund, und Darian ist dein Eigentum.«
    Der Handel begann schleppend und lustlos.
    Unter den Sonnensegeln und im Schatten vorspringender Dächer befanden sich steinerne Bänke. Zwischen ihnen und den beiden kleinen Brunnen hatte man Sessel und einfache Stühle aufgestellt. Verkäufer von parfümiertem Wasser gingen zwischen den Gaffern hin und her, versuchten, die Becher des duftenden Getränks zu verkaufen. Hunde und Kinder spielten zwischen den Beinen der Erwachsenen. Aus den Löchern im gepflasterten Boden kamen heiße Luft und Gestank. Auf den Giebeln und Simsen zwitscherten und gurrten bunte Vögel.
    Aus den offenen Türen umliegender Schenken erschollen Geschrei, derbe Seemannsflüche und das Kichern der Mägde, die mit Steuermännern und Kapitänen schäkerten. Über allem hing ein Geruch, der aus Angstschweiß, Seeluft und jenem trockenen Wind gemischt war, der den Geruch der ätherischen Öle aus den Tälern voller Sträucher mit sich schleppte, von denen Sarphand umgeben war.
    »Sarpha Yahid der Siebzehnte, er ist mächtig und von vortrefflicher Klugheit, gab mir den Auftrag«, rief der Marktaufseher, als die erste Gruppe der Sklaven verkauft war, »den heutigen Sklavenmarkt abzuhalten! Als nächste Gruppe werden drei Männer und Frauen hereingebracht, auf deren Körpern Nummern angebracht sind. Jedermann weiß, was dies zu bedeuten hat. Fangt an, zu Ehren des Siebzehnten Yahid!«
    Zwischen den granitenen Mauern wurde ein mächtiger Gong geschlagen. Die Echos des metallischen Lautes hallten von den Häusern wider und ließen den Vogelschwarm aufflattern. Ein kleiner, gedrungener Mann schob sich seitlich auf den Steg. Er
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