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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition)
Autoren: Mary Miller
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Mittwoch
    Es war Mittwoch, und wir waren noch nicht mal in Texas. Wir hatten lange geschlafen, waren tagsüber schwimmen gegangen. Doch um rechtzeitig in Kalifornien zu sein, müssten wir uns ganz schön ranhalten.
    In einer beschissnen Kleinstadt in Louisiana, das von Scheißkleinstädten nur so wimmelte, machten wir Pause in einem Waffle House und setzten uns an die Theke. Mein Vater saß gern an Theken rum, war gern unter Leuten – nur dass man die nicht einfach so fragen konnte, ob sie schon errettet waren; zuerst musste man sie gewinnen, musste sich beliebt machen bei ihnen – aber für die Feinheiten blieb ja nie Zeit. Er hatte einen Packen Flyer bei sich: »Alles Leiden WIRD BALD ENDEN! «
    Als die Bedienung fragte, wie es uns so gehe, drückte er ihr einen in die Hand.
    »Die Welt vergeht«, sagte er, »wer aber dem Willen des Herrn folgt, bleibt ewig.«
    Als Antwort legte sie eine winzige Serviette vor ihn hin, und obendrauf Messer und Gabel, und reihum so weiter: vor meine Schwester Elise, vor meine Mutter, vor mich.
    Ich beobachtete meinen Vater, der sich fröhlich umsah, ob vielleicht noch irgendjemand bereit wäre, sich mit ihm zu unterhalten. War aber keiner. So war es meistens. Entweder er predigte offene Türen ein oder er versuchte Leute zu bekehren, die sich nicht bekehren ließen. Aber das hinderte ihn keineswegs daran, seinen Text runterzuleiern – und im Kern roch das ganze nach Vergeblichkeit. Er hatte auch nicht vor, alle sieben Milliarden Menschen der Erde zu retten. Dann wären wir ja nichts Besonderes. Nicht auserwählt.
    Ich stützte meine Ellbogen auf die Theke. Sie war klebrig vom Sirup, und ich fand gut, dass dieses Waffle House ganz genau so war wie jedes andere Waffle House, in dem ich je gesessen hatte. Ich wusste, wo es zur Toilette ging, wusste, was ich essen wollte und wie es schmeckte.
    Ich löste meine Ellbogen von der Theke und untersuchte sie.
    »Entschuldigung, Miss«, sagte meine Mutter so leise, dass die Bedienung nichts hörte. »Entschuldigung«, sagte sie etwas lauter.
    Die Bedienung kam rüber und baute sich direkt vor uns auf.
    Sie war groß und massig und ihr fehlte ein Zahn, oder vielleicht war es auch nur eine große Lücke – für einen ganzen Zahn schien sie etwas klein. Ich starrte ihr offen ins Gesicht. Sie war hässlich, und ich fürchtete mich nicht vor hässlichen Leuten.
    »Die Theke ist klebrig«, sagte meine Mutter und fuhr mit dem Finger drüber.
    Die Bedienung ging, kam zurück und wischte los, mit einem offensichtlich dreckigen Lappen.
    Elise kramte in ihrer Tasche und zückte ihren Lipgloss. Bestrich Oberlippe, Unterlippe und presste sie aufeinander. Es hatte was Obszönes, wenn sie sich schminkte.
    Immer wieder haben mir Jungs erzählt, was für eine Granate meine Schwester sei, und dann, dann warteten sie gespannt auf meine Reaktion. Ich konnte natürlich nur zustimmen. Sie war die Granate und ich nicht. Was gab es da noch zu sagen?
    »Wie wär’s mit ein bisschen Frischmachen?«, fragte unsere Mutter. Weder Elise noch ich antworteten. Auf Vorschläge reagierten wir nicht, nur auf direkte Befehle.
    Ich langte mir ins Gesicht. »Sauber wie geleckt«, sagte ich.
    »Ich würde schon gern wissen, woher gerade der Spruch kommt. Wenn einer einen ableckt, ist der doch nicht sauber, sondern voller Spucke.« Elise zog ihr Handy raus und fing an zu googeln, und während sie vorlas, beobachtete ich ihr Gesicht – die Wülste über ihren Augenbrauen. »Da wäre zum Beispiel, dass viele Tiere, Kühe, Ziegen, Hunde, Katzen ihre Jungen sauber lecken oder ihre Pfoten oder hier, bei Jesaja 49, 23, die Füße: Sie werden vor dir niederfallen zur Erde aufs Angesicht und deiner Füße Staub lecken. Da wirst du erfahren, dass ich der HERR bin, an welchem nicht zu Schanden werden, die auf mich harren.«
    Sie hüpfte von ihrem Hocker, und ich drehte mich, um sie gehen zu sehen – Pferdeschwanz und Hüften schwingend. So lief sie auch durch die Korridore unserer Highschool. Nie sah sie einen an, die Leute mussten wieder und wieder ihren Namen rufen, eh sie sich umdrehte.
    Sie trug ihr König Jesus Kehrt Zurück! -T-Shirt und Shorts, die so kurz waren, dass man nicht sah, dass sie überhaupt welche anhatte. Ich bemerkte jemanden, der sie wie ich beobachtete, einen bös aussehenden, kleinen Mann mit einem Mädchen auf dem Schoß, einem mageren Mädchen mit starken Gelenken und Brillengläsern, sie hatte den Arm würgend um ein rattenartiges Steiftier geschlungen. Er zog
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