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Süßer König Jesus (German Edition)

Süßer König Jesus (German Edition)

Titel: Süßer König Jesus (German Edition)
Autoren: Mary Miller
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Love’s-Tankstellen. Bei Starbucks gab es diese Vollkornschrot-Schoko-Cracker, die ich mochte, und Love’s hatte reife Bananen und eine große Auswahl an Backwaren. Ich sah ein Schild von Chick-fil-A und fragte mich, warum es mich immer nur sonntags, wenn es geschlossen hatte, dort hinzog.
    Ich regulierte meinen Sicherheitsgurt und stellte meine Füße auf den Flyern ab. Wir hatten Dutzende verteilt, aber der Stapel schien kein bisschen abzunehmen, und ich hätte sie am liebsten zum Fenster rausgeworfen: Sie würden sich in den Zweigen der Bäume verfangen; müllsammelnde Strafgefangene würden sie mit ihren Spießen aufgabeln. Ich nahm mir einen Flyer. Das Bild geschmacklos: künstliche Farben, ein Mann und eine Frau saßen in einem Feld, umringt von Kühen und Pferden und Hühnern. Im Vordergrund Fässer voller Äpfel und Kürbisse. Im Hintergrund ein hübsches Haus, eine Menge Bäume und ein tiefblauer Himmel. Wie in einer Verbeugung vor der Multikultur hätten Mann und Frau auch Mexikaner sein können oder aus dem Mittleren Osten oder Ureinwohner Nordamerikas. Zum tausendsten Mal las ich: Gott erschuf Adam und Eva perfekt, aber Er wollte keine stumpfsinnigen Roboter, also gab Er ihnen den freien Willen, und sie nutzten ihn, um ungehorsam zu sein. Das Ergebnis war, dass uns Gott, indem er dieses Experiment absoluter Freiheit fortdauern ließ, klarmachte, wie schwer wir uns mit der Selbstbestimmung taten. Bald aber würde alles enden, denn wir hatten es tierisch vermasselt – Tausende von Jahren Krieg, Armut und Leid. Ich dachte darüber nach: Gott macht uns verantwortlich für etwas, das wir gar nicht getan haben, und dann lässt Er uns weitermachen, mehr schlecht als recht immer weitermachen mit uns, nur um uns zu demonstrieren, dass wir Ihn brauchen. Darüber hatte ich noch nie nachgedacht. Die Logik kam mir lückenhaft vor.
    Ich hatte diese Flyer in Einkaufszentren ausgelegt, sie zwischen die Seiten der Bücher in Bibliotheken und Buchläden geschoben. Hatte sie bei Paraden verteilt und auf Straßenfesten, und einmal war ich mit einem der älteren Jungs aus unserer Kirche von Tür zu Tür gegangen – aber unser Pfarrer sagte, Von-Tür-zu-Tür sei nicht unser Revier – wir seien weder Zeugen Jehovas noch Heilige der letzten Tage.
    Dieser ganze Zeit- und Kraftaufwand, und ich hatte keine einzige Person errettet, hatte schlichtweg überhaupt nichts bewegt. Nicht mal die Gläubigen wollten mit mir reden. Sie wollten in Ruhe ihre Bluejeans kaufen und Bücher für die Sommerferien.
    ***
    Elise legte ihren Kopf auf meine Schulter. Ich roch Minze, weiß Gott welches Shampoo sie heute Morgen benutzt hatte.
    Sie nahm ihr Schminkzeug aus der Handtasche und verteilte Flaschen und Döschen um sich herum. Am liebsten hätte ich jedes einzeln in die Hand genommen – um dran zu riechen. Ich kramte so gern in ihren Sachen.
    »Hältst du mir bitte den Spiegel?«
    Ich versuchte ruhig zu halten, während sie eine erste Schicht auftrug. Dann folgten Rouge, Lidschatten, Eyeliner und Mascara, und immer wieder unterbrach sie die Prozedur, um meine Hand zu korrigieren oder mir zu sagen, dass ich den Spiegel zu tief halte.
    »Ich kapier nicht, warum du das ganze Zeug draufmachst«, sagte ich. »Hast du nicht das Gefühl, dein Gesicht schmilzt dir weg?«
    »Nein«, sagte sie und räumte ihre Utensilien beiseite. »Ich fühl mich schön so. Wie wär’s mit einer Runde Poker?«
    »Muss nicht sein«, sagte ich, aber sie packte die Spielkarten trotzdem aus und mischte sie auf ihren Knien. Ein paar fielen hinunter. Ich zählte Pistazienschalen ab, denn um richtiges Geld durften wir nicht spielen, nicht mal um Pennys.
    Manchmal spielten wir auch um die guten Haarklemmen, die wir uns gegenseitig immer klauten und die man nur bei Sally’s kriegt, aber inzwischen hatten wir kaum noch welche.
    Ich hatte ein Scheißblatt – Kreuz 2, Kreuz 10 und Herz 6. Ich legte meine Karten ab und sie ihre, doch dann nahm sie sie wieder auf und sah sie noch mal durch. Karten waren nicht ihr Ding, Spiele sowieso nicht, aber das hieß nicht, dass sie nicht gern spielte.
    Eine Gruppe Motorradfahrer dröhnte vorüber und wir unterbrachen unser Spiel, schauten ihnen nach, nur ein Einziger hatte eine Frau hintendrauf, deren langes Haar sich im Wind verzwirbelte und verknotete. Ich stellte sie mir indisch gestylt auf einem Bett vor, wie sie ihr langes nasses Haar kämmte, und dann stellte ich mir vor, wie der Mann sie kämmte. Und er sagte ihr, sie sei schön,
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