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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme
Autoren: Anna Tarneke
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Untersuchung.
    Â»Keine Sorge, das wird nicht wehtun.«
    Â»Kriege ich keine Vollnarkose?«
    Â»Das können wir in Ihrem Zustand leider nicht machen. Aber Sie brauchen sich trotzdem keine Sorgen zu machen, das ist alles halb so wild. Glauben Sie mir.«
    Frau V. stöhnte erneut auf, aber diesmal klang es ziemlich genervt.
    Dr. H. führte die Darmspiegelung durch, und als er damit fertig war, jammerte Anneka V. über starke Blähungen.
    Â»Das ist ganz normal«, erklärte ihr Dr. H. gelassen. »Sie haben von der Darmspiegelung sehr viel Luft im Darm. Lassen Sie sie ruhig raus.«
    Er hatte den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, als Anneka V. genau das tat. Peinlich berührt verbarg sie das Gesicht hinter ihren Händen.
    Als Dr. H. den Raum verließ, um die verschiedenen Untersuchungsergebnisse zu vergleichen, versuchte ich, Anneka V. zu trösten.
    Â»Ich weiß, das ist alles unangenehm«, meinte ich zu ihr. »Aber das braucht Ihnen nicht peinlich zu sein. Wir haben das schon bei unzähligen Patienten erlebt. Ehrlich. Die Situation, in der Sie sich gerade befinden, ist uns wirklich nicht neu.«
    Â»Das glaube ich kaum«, sagte Anneka V. in dem Moment bitter. »Das ist der schlimmste Tag meines Lebens. Noch nie habe ich mich so geschämt.«
    Â»Dafür gibt es wirklich keinen Grund …«
    Â»Gibt es wohl!«, unterbrach sie mich. »Wissen Sie, was ich vor drei Tagen noch gemacht habe?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    Â»Da stand ich am Rosenmontagszug und habe Kamelle gefangen.«
    Â»Und?«
    Â»Und danach habe ich in einer Kneipe auf den Tischen getanzt …«
    Â»Schön!«
    Â»â€¦ und schließlich mit einem total süßen Gorilla in der Ecke gebützt.«
    Mir war nicht ganz klar, wo das Problem lag.
    Â»So soll es im Karneval sein! Ist doch schön für Sie …«
    Â»Und wissen Sie, wer der süße Gorilla war?«, fuhr mich Anneka V. ungehalten an.
    Ich schüttelte den Kopf.
    Â»Der Doktor, verdammte Sch***.«
    Jetzt verstand ich. Und jetzt war mir auch klar, warum das Anneka V. alles so unangenehm war. Wer findet es schon toll, seine Knutschbekanntschaft drei Tage später im Krankenhaus wiederzusehen, wenn man gerade den schlimmsten Durchfall seines Lebens hat.
    Ich überlegte fieberhaft, was ich ihr noch Tröstendes sagen konnte, als Dr. H. wieder den Raum betrat.
    Â»So, jetzt haben wir den Befund«, erklärte er. »Sie haben eine Darmvergiftung.«
    Anneka V. bemühte sich, den Doktor nicht anzuschauen, während sie ihm antwortete.
    Â»Wo kriegt man das denn her?«
    Â»So etwas kann zum Beispiel durch Taubenkot ausgelöst werden. Das kann schon mal passieren. Vielleicht haben Sie im Karneval nach einer Kamelle gegriffen, die mit Taubenkot beschmutzt war oder so.«
    Â»Ich war dieses Jahr nicht im Karneval«, sagte Anneka V. trotzig. »Ich war gar nicht in Köln. Ich war im Sauerland bei meinen Eltern.«
    Dr. H. musterte sie erneut, wollte etwas sagen, verkniff es sich dann aber und verließ den Raum – natürlich erst, nachdem er die richtige Medikation für Anneka V. aufgeschrieben hatte.
    Â»Versprechen Sie mir, es ihm nicht zu sagen«, bat Frau V. mich eindringlich, als wir wieder alleine waren und ich dabei war, sie auf die Station zu bringen, wo sie noch ein paar Tage bleiben sollte. »Bitte, niemals! Sie dürfen es niemals jemandem erzählen!«
    Â»Versprochen«, sagte ich. »Ich werde es keinem sagen.«
    Und an dieses Versprechen habe ich mich gehalten. Gut, die Geschichte ist nun aufgeschrieben, aber erzählt habe ich sie niemandem!

9
Tod – Nicht jeder schafft es
    B isher habe ich in meinen Erzählungen ein Thema weitestgehend ausgelassen: den Tod. Trotzdem ahnen sie vermutlich, dass auch er Bestandteil meines Berufsalltags ist.
    Und nicht nur Bestandteil meines Alltags ist er. Er gehört zum Leben eines jeden Menschen, ob wir wollen oder nicht. Im Vergleich zu früher fällt mir auf, dass immer mehr Menschen Tod und Sterben beinahe vollkommen verdrängen, sie wollen einfach nichts damit zu tun haben. Ich habe schon unzählige Patienten betreut, die ein extrem hohes Alter erreicht hatten und nun unausweichlich dem Ende ihres Lebens entgegenblickten, und diese Tatsache einfach verleugneten, die praktisch vom Sterbebett aus noch Urlaubsreisen buchen oder Kaffeekränzchen organisieren wollten.
    Es gibt viele
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