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Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme

Titel: Spritzenmäßig: Kurioses, Krasses und Komisches aus der Notaufnahme
Autoren: Anna Tarneke
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ernst?«, fragte ich ihn nach einer Weile.
    Â»Genauso ist es passiert, ehrlich.«
    Â»Sie haben Angst, dass ich die Polizei rufe, oder?«
    Â»Wieso sollten Sie die Bullen rufen? Es war ein dummes Missgeschick, sonst nichts.«
    Inzwischen hatte ich das Schneemannkostüm aufgeschnitten, und Dr. Claas H. schaute sich die Wunde an. Zum Glück hatte Farid G. das, was man im Allgemeinen eine ordentliche Wampe nennt – vorteilhaft nicht nur für sein Schneemannkostüm, denn so war das Messer in der dicken Fettschicht stecken geblieben und hatte keine inneren Organe verletzt.
    Ich erzählte Dr. H. Farid G.s Fantasiegeschichte, und der konnte sich beim Untersuchen der Wunde ein Lachen kaum verkneifen.
    Â» Fuck you «, sagte er kichernd und wies mich auf den Messergriff hin, auf dem diese Worte in diabolischer Schrift eingraviert waren. »Tolles Käsemesser!«
    Farid G.s Wunde wurde desinfiziert und genäht. Er bekam ein dickes Pflaster und die Auflage, nach zehn Tagen zum Fädenziehen wiederzukommen. Was er natürlich niemals tat.
    Wir beschlossen, die Polizei nicht zu informieren. An jenem Tag kamen noch derart viele Stichwunden zu uns, dass wir uns um die hanebüchene Ausrede von Farid G. nicht weiter kümmern konnten.
    Definitiv aber gewann er den Preis für die bescheuertste Notlüge, die ich je gehört habe.
    ***
    Â»Jeder Jeck ist anders« – das ist das Motto im Kölner Karneval. Und was für die tanzende Menge auf der Straße gilt, gilt natürlich auch für meine Patienten.
    Philipp Z. und Oskar B. kannten sich nicht. Die beiden jungen Männer saßen nebeneinander im Wartebereich, oder besser gesagt, Oskar B. saß, während Philipp Z. in gebückter Haltung neben ihm an der Wand lehnte.
    Es war Veilchendienstag, also der Tag nach Rosenmontag, und Oskar B. sah dem Anlass entsprechend aus. Er hatte ein dickes, blaues Auge, und seine Nase erinnerte an eine matschige Kartoffel. Auf den ersten Blick konnte ich erkennen, dass sie nicht nur einmal gebrochen war.
    Bestens gelaunt stand Philipp Z. neben dem missmutig dreinschauenden Oskar. Ich hielt die beiden für Freunde und dachte, Philipp würde den verletzten Oskar begleiten.
    Â»Wie ist das passiert?«, fragte ich Oskar B., als ich seine Nase näher inspizierte.
    Â»Sch*** Karneval«, murmelte er grimmig. »Irgend so ein Driss-Pirat hat mir eins aufs Maul gegeben.«
    Â»Verstehe«, erwiderte ich.
    Eine klassische Karnevalsprügelei. Vermutlich die hundertste in dieser Session.
    Â»Haben Sie noch an anderen Körperstellen was abbekommen? Bauch, Rippen?«
    Â»Halten Sie mich für bescheuert? Windelweich geprügelt hab ich diesen Sch***pirat. Mich schlägt man nur einmal, das kann ich Ihnen versprechen!«
    Â»Okay, alles klar.«
    Hui, dachte ich nur. Dem war die Karnevalslaune aber gründlich vergangen, was angesichts seiner Nase irgendwie verständlich war.
    Ich wandte mich an Philipp Z.
    Â»Es wird einen Moment dauern, wir müssen hinten in den Behandlungsraum. Setzen Sie sich doch solange.«
    Philipp Z. sah mich an, als verstünde er nur Bahnhof.
    Â»Alles falsch«, sagte er dann vergnügt und lachte. »Erstens kenne ich den Piratenschläger nicht, und zweitens kann ich mich nicht hinsetzen.«
    Er drehte mir sein Hinterteil zu und zog seine Hose ein Stück herunter.
    Â»Splitter im A***«, kommentierte er den Anblick und klang dabei noch immer sehr vergnügt.
    Tatsächlich ragte aus seiner rechten Pobacke ein knapp zehn Zentimeter langer Holzsplitter. Er saß tief im Gewebe, das schon ziemlich dick und entzündet aussah.
    Â»Seit wann haben Sie den?«, fragte ich und konnte mein Erstaunen kaum verbergen. Der Splitter war wirklich beeindruckend groß.
    Â»Seit gestern Abend. Wir saßen mit zwanzig Leuten auf einer Bank und haben geschunkelt wie die Weltmeister. Bis die Bank dann zusammenkrachte.«
    Er grinste mich breit an, während Oskar B. nur die Augen verdrehte.
    Â»Und wie konnten Sie so schlafen?«, fragte ich erstaunt. »Das muss doch tierisch wehgetan haben!«
    Â»Na ja, dieses Kölsch ist ganz schön schmerzlindernd. Hab ich etwa keine Fahne mehr?«, fragte er überrascht.
    Doch, die hatte er. Und was für eine. Auch damit befand sich Philipp Z. in bester Gesellschaft. In der Karnevalszeit kamen jede Menge Leute zu uns, die bereits Stunden, wenn nicht sogar Tage mit ihren Verletzungen
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