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Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman
Autoren: dtv
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verstrickt?«
    »Sie haben gelogen.«
    »Na klar habe ich gelogen. Halten Sie mich für einen Idioten?«
    Idiot oder Lügner, fragte sich Will, was war besser? Prince hatte seine Wahl offenbar vor langer Zeit getroffen.
    »Und der Mann, der vor dem Haus gesehen wurde, das waren ebenfalls Sie?«
    Prince warf seinem Anwalt einen Blick zu. »Der gute Quentin meinte, der Brief, den er geschickt hatte, wäre nicht das Papier wert, auf dem er geschrieben war. Ganz bestimmt nicht das verdammte Honorar, das ich ihm gezahlt hab, damit er ihn seiner Sekretärin diktiert.«
    Anstruther gluckste in sich hinein.
    »Also fuhr ich auf gut Glück vorbei, weil ich nämlich dachte, wenn ich persönlich mit ihm rede und ihm die Sache erkläre, würde er zur Vernunft kommen und einen Rückzieher machen. Aber natürlich war er nicht da.«
    »Beide Male?«
    |419| »Es gab nur das eine Mal.«
    »Wir haben einen Zeugen, der behauptet, Sie nur ein paar Tage später in einem Auto, einem Range Rover, gesehen zu haben.«
    »Dann hat er sich geirrt.«
    »Sie haben aber einen Range Rover.«
    »Na und? Den hat halb England. Wie sollen die Leute sonst ihre verwöhnten Balgen zur Schule bringen?«
    »Wenn Sie glaubten, es wäre eine gute Idee, mit Bryan zu reden«, sagte Will, »verstehe ich nicht, warum Sie es nicht noch einmal versucht haben?«
    »Weil jemand mich überzeugt hat, dass es gar keine gute Idee war, persönlich tätig zu werden«, sagte Prince mit einem weiteren Blick auf Anstruther. »Und als ich meine Meinung in diesem Punkt geändert hatte und dachte, zur Hölle mit den guten Ratschlägen, ich geh doch hin und bringe ihn zur Vernunft, war der arme Kerl schon tot.«
    Er lehnte sich zurück und wartete.
    Es gab andere Fragen, die Will hätte stellen können, zum Beispiel, was er mit dem Überfall auf Lesley zu tun hatte, aber er wusste, dass Prince jede Beteiligung leugnen würde. Ohne Beweise wäre das Ganze nur heiße Luft.
    Unten auf der Straße schüttelten sich die beiden Männer die Hand und gingen auseinander.
     
    Zehn Tage bevor der erste Artikel über Irene Bast erschien, kam Helen wieder zur Arbeit. So unruhig sie auch zu Hause gewesen war, die Rückkehr an die Front war merkwürdiger, als sie erwartet hatte. Die Kollegen, jedenfalls einige, neigten zu maßlosen Übertreibungen, fragten sie unentwegt, ob es ihr gut ginge, verlangsamten ihren Schritt, wenn sie hinzukam, und boten ihr – Himmel, Herrgott, Sakrament! – ihren Stuhl an, wenn sie einen Raum betrat. Entweder das |420| oder sie ignorierten komplett, was geschehen war. Das war zwar besser, ärgerte sie aber trotzdem, wie sie feststellte.
    Bei der ersten Gelegenheit, die ein Verletzungsrisiko barg – die Verhaftung eines Drogendealers, der in einer verzweifelten Lage und sehr wahrscheinlich mit einem Messer bewaffnet war   –, musste sie ein Gefühl heftigster Übelkeit unterdrücken.
    Nachts wurde sie manchmal – immer, wenn sie am wenigsten darauf vorbereitet war – in das Geschehen am Fluss zurückversetzt: die fliegenden Fäuste, die wütenden Rufe, die Stiefel, das Messer.
    »Es geht dir doch gut?«, sagte Will ungefähr am dritten Tag.
    »Ja, klar. Warum?«
    »Weil du scheiße aussiehst«, sagte Will und lachte.
    Helen boxte ihn nicht sehr sanft auf den Oberarm.
    »Zumindest habe ich einen Grund.«
     
    Lesley nahm die Einladung zur Vernissage an. In der überfüllten Galerie wirkten Irene Basts Bilder weniger wie eine persönliche Beichte und mehr wie das, was sie wirklich waren: Kunstwerke. Aus dem gleichen Grund sah Irene selbst weniger wie die böse Hexe aus dem Norden und mehr wie eine seriöse Künstlerin aus. Die Aufmerksamkeit, die man ihr schenkte, war eine angenehme, wenn auch verblüffende Erfahrung.
    Natalie kam erst spät, war wegen irgendeiner Sache völlig durch den Wind und trug hautenge Shorts mit schwarzweißem Hahnentrittmuster, ein mit Perlen besetztes, zinnoberrotes Top und kniehohe Stiefel, die ihr gute Dienste leisten würden, wenn sie jemals die männliche Hauptrolle in einer Weihnachtsfarce spielen würde.
    Sie umarmte Irene, küsste Lesley auf den Mund, trank |421| zwei Gläser Champagner und eine Flasche Dos Equis, schwärmte laut von den scheißguten Bildern, schlief dann in der Toilette ein und musste zu einem Taxi getragen werden, das sie nach Primrose Hill zurückbrachte.
    Lesley dagegen spielte nach mehreren Gesprächen mit dem ehemaligen Verleger ihres verstorbenen Bruders mit der Idee, die Biografie zu schreiben, die
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