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Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman
Autoren: dtv
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Erfordernissen nicht genügte, dessen Flure aber ausreichten, um halbwegs anständig Fußball zu spielen. Inzwischen jedoch waren sie in die Nähe des Stadtzentrums von Cambridge versetzt worden, in ein Gebäude, das die Hässlichkeit der Architektur der Sechzigerjahre im Allgemeinen und des Betons im Besonderen bezeugte.
    Als Detective Inspector war Will ranghöher, aber meistens spielte dieser Umstand keine Rolle: Er und Helen arbeiteten sehr partnerschaftlich zusammen, mal führte der eine, mal der andere.
    »Du siehst müde aus«, sagte Helen. Sie balancierte zwei Styroporbecher mit Kaffee, einen auf dem anderen.
    »Mir geht’s gut«, antwortete Will.
    »Hat das Baby dich wach gehalten?«
    »Ich hab doch gesagt, dass es mir gut geht.« Scharf und eisig.
    Helen stellte einen der Kaffeebecher auf seinen Schreibtisch und musterte prüfend sein Gesicht. »Hattest du Streit mit Lorraine?«
    »Mein Gott!«, rief Will.
    »Verstanden«, sagte Helen grinsend. »Ich soll mich um meine eigenen Angelegenheiten kümmern. Ist es das?«
    »Genau. Kümmere dich verdammt noch mal um deine eigenen Angelegenheiten.«
    Helen lachte. Das Telefon auf Wills Schreibtisch läutete und sie ging dran. Nachdem sie ein paar Sekunden lang zugehört hatte, griff sie nach einem Stift und notierte auf ihrem Handgelenk einen Namen und eine Adresse.
    |11| »Gut«, sagte sie, als sie auflegte. »Du brauchst was, das dich von deinem Ärger ablenkt? Damit müsste es eigentlich hinhauen.«
     
    Wills erster Gedanke, als er das Gesicht des Mannes sah: wie ein umgestülpter Handschuh.
    Besonders die obere Gesichtshälfte war bis zur Unkenntlichkeit eingeschlagen worden.
    Auf dem geriffelten Boden der Duschkabine klebte geronnenes Blut, und Blut bildete ein dunkler werdendes Bogenmuster an den Wänden; der Abfluss war mit Haaren und Haut verstopft, so zumindest Wills Eindruck. Der Duschvorhang war von der Stange gerissen worden und hatte sich um den nackten Körper des Mannes gewickelt, er lag über seine Brust gebreitet wie ein Leichentuch aus Plastik. Eine Hand hatte er schützend über sein Geschlecht gelegt.
    In der Tür stand Helen und sprach mit dem Leiter der Spurensicherung, während ein Beamter im Nebenzimmer eine Videokamera vorbereitete. Der Fotograf, der sein Stativ direkt neben der Leiche aufgestellt hatte, war zurückgetreten, als Will eintraf, und wartete jetzt geduldig darauf, weitermachen zu können. Weitere Beamte, die von Kopf bis Fuß in weißen Overalls steckten und Handschuhe trugen, begannen mit der Durchsuchung des Hauses.
    Die Putzfrau hatte die Leiche entdeckt, als sie morgens mit der Arbeit begonnen hatte; jetzt saß sie in Begleitung eines Polizisten bei einer Nachbarin und trank stark gesüßten Tee. Sie war erst zum zweiten Mal im Haus gewesen, und es war das erste Mal, dass sie den Schlüssel benutzt hatte. Die sprichwörtlichen zehn Pferde hätten sie nicht dazu bewegen können, das Haus noch einmal zu betreten.
    Helen trat zu Will, stellte sich neben ihn und blickte auf die Leiche hinunter. »Ehekrach?«, sagte sie.
    |12| Will sah sie zweifelnd an. »Könnte sein.«
    Trotz seiner Zweifel schossen ihm die Worte durch den Kopf:
Wenn du das tust, will ich dein Gesicht nicht mehr sehen. Nie wieder
.
     
    Es war ein zweistöckiges Reihenhaus, das nicht weit vom Stadtzentrum in einer Straße mit identischen Häusern stand. Die Fassaden waren in unterschiedlichen Pastelltönen gestrichen, in diesem Fall ein blasses Grau. Hausmakler, überlegte Will, würden es als »Cottage« bezeichnen, um dem Objekt eine gemütliche, fast ländliche Note zu geben. Die meisten Colleges waren so nahe, dass Nachwuchsdozenten leicht mit dem Fahrrad dorthin gelangen oder sogar laufen konnten, wenn ihnen der Sinn danach stand. Also nicht billig, dachte er, nicht dass irgendetwas in Cambridge billig war. Nicht mehr.
    In der Küche hatte die Modernisierung um sich gegriffen: Der angebaute Trakt war ausgestattet mit einem mannshohen Kühlschrank, einem weißen Keramikspülstein, Fronten aus gebürstetem Aluminium und einem Küchenwagen, der groß genug war, um eine Rinderhälfte auszubeinen.
    Die Möbel im Wohnzimmer erinnerten Will an das Zeugs, das seine Eltern geerbt und dann weggeworfen hatten: lauter Armlehnen aus Sperrholz und Beine aus Metall. War vermutlich inzwischen ein Vermögen wert.
    Das vordere Zimmer im oberen Stockwerk war mit deckenhohen Bücherregalen praktisch in eine Bibliothek verwandelt worden, wobei in einem der Regale keine
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