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Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman
Autoren: dtv
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zeigte 23   Uhr 17.
    Sie schob den Vorhang ein Stück zur Seite und sah das Auto, das unten am Straßenrand parkte, hinter dem Steuer der undeutliche Schatten eines Mannes. Als er sich bewegte, erblickte sie sein Gesicht als verschwommenen weißen Fleck. Sie ließ den Vorhang zurückfallen, durchquerte den Raum und ging über den kurzen Flur zur Haustür, wo sie den Riegel vorschob und den Schlüssel zweimal umdrehte.
    Nie wieder.

|416| 40
    Sechs Wochen nach McKusicks Verhaftung und nur eine Woche vor der Eröffnung der Ausstellung von Irene Basts neuen Bildern erschien im ›Observer Magazine‹ ein vierseitiger, mit zahlreichen farbigen Abbildungen illustrierter Artikel über das Ereignis. Unbestreitbar war Irene ein Journalistentraum: ein plötzliches heftiges Aufblühen nach Jahren des Schweigens; Kunstwerke, deren Inhalt als sensationell bezeichnet werden konnte. Dazu noch ein Vater und eine Schwester, die gemeinsam bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen waren, und eine Enkelin, die Schauspielerin war und es angeblich wild trieb. Es war also kein Wunder, dass die Geschichte gedruckt wurde. Dem Artikel im ›Observer‹ folgten weitere im ›Guardian‹, dem ›Sunday Telegraph‹ und – begleitet vom moralisch empörten Kopfschütteln des konservativen Englands – der ›Daily Mail‹. Für die ›Culture Show‹ auf BBC 2 sollte ein fünfminütiger Beitrag gedreht werden, sobald die Ausstellung eröffnet war, und es gab Gerüchte, dass Tim Marlow Interesse zeigte, etwas für Channel 5 zu machen.
    Im Zusammenhang mit den Bildern wurde von Voyeurismus, Pädophilie und möglichem Inzest gesprochen, und obgleich keine direkten Verbindungen zu Irenes Leben und ihrer Familie hergestellt wurden, konnte der Leser seine eigenen Schlüsse ziehen, wenn er es wollte.
    Howard Prince verkroch sich in seinem Haus in Südfrankreich und ließ Lily in der Obhut der Haushälterin, turnusmäßig wechselnden Krankenschwestern und zwei Wachleuten zurück. Letztere waren angeheuert worden, um ihr die Medien vom Leib zu halten. Trotzdem gelang es einem Pressefotografen, mit dem Teleobjektiv mehrere Aufnahmen von einer verwirrten und bekümmerten Lily |417| im Garten zu schießen, bevor eine der Schwestern sie nicht besonders sanft dazu brachte, ins Haus zurückzukehren.
    Natalie ließ sich ausführlich über die künstlerischen Talente ihrer Familie aus und fügte hinzu, wie großartig es sei, mit Woody Allen zu arbeiten. Es gab neue Pläne für ein Remake von ›Splitterndes Glas‹ und Gerüchte, dass sie die Rolle von Juliette Lewis in Sam Shepards ›Fool for Love‹ übernehmen würde. Es war mindestens einen Monat her, dass sie zuletzt mit Türstehern von Nachtclubs in Konflikt geraten war oder die Paparazzi mit Beschimpfungen übergossen hatte, und fast so lange, dass sie in halb betrunkenem Zustand auf den Seiten von ›Heat‹ erschienen war.
    Princes Anwalt, Quentin Anstruther, hatte sich bald nach Mark McKusicks Verhaftung bei Will gemeldet. Ob er richtig in der Annahme gehe, dass sein Mandant nicht mehr zu den Verdächtigen zähle, da jetzt ein anderer Mann des Mordes an Stephen Bryan beschuldigt werde?
    »War er denn ein Verdächtiger?«, fragte Will.
    Anstruther gab keine Antwort.
    »Es gibt aber trotzdem einige Punkte, über die ich gerne Klarheit hätte«, sagte Will zu ihm.
    Sie trafen sich wieder in Anstruthers Büro. Prince war weniger gereizt als beim letzten Mal, er wirkte entspannter und sein Atem roch schwach nach dem einen oder anderen Glas zum Mittagessen.
    »Heute hält Ihnen niemand die Hand«, bemerkte Prince. »Wie bitte?«
    »Ihre Kollegin   – Walker, das war doch der Name?«
    »DS Walker, ja.«
    »Gut aussehende Frau. Lebhaft.«
    »Sie wurde verletzt«, sagte Will. »Im Dienst.«
    »Hoffentlich nichts Ernstes?«
    »Geht so.«
    |418| »Das tut mir leid.«
    Will nickte.
    »Nun«, sagte Prince und lehnte sich zurück, »kommen wir zur Sache.«
    »Ein paar Fragen, nur der Ordnung halber«, sagte Will. »Nein, nicht einmal das. Ich möchte es gern wissen. Wenn etwas im Raum steht, stößt man sich leicht daran.«
    »Legen Sie los.«
    »Der Anruf bei Bryan, den Sie geleugnet haben   …«
    »Geleugnet?«
    »Ziemlich nachdrücklich, wie ich mich entsinne.«
    »Sehen Sie, junger Mann   …« Prince beugte sich energisch vor, »…   Sie haben über Mord geredet. So einem armen Kerl wird der Kopf eingeschlagen. Glauben Sie, ich würde ein einziges Wort sagen, das mich in die Sache
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