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Splitterndes Glas - Kriminalroman

Splitterndes Glas - Kriminalroman

Titel: Splitterndes Glas - Kriminalroman
Autoren: dtv
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dass die Splitter in Stephens Schädel von diesem Stück Holz stammen.«
    »Nein!«, schrie McKusick.
    Will beugte sich vor und klopfte leicht auf eines der Fotos. »Das haben die Schläge aus ihm gemacht«, sagte er ruhig. »Das haben sie aus seinem Gesicht gemacht, sehen Sie? Aus seiner Nase, seinem Mund, seinen Augen   …«
    McKusick warf sich auf seinem Stuhl zurück, und ein rauer gutturaler Laut kam aus seiner Kehle, als würde ihm schlecht.
    »Sehen Sie?«, sagte Will in demselben, fast liebenswürdigem Tonfall.
    »Detective Inspector«, sagte Christine Costello. »Ich muss protestieren   …«
    Aber McKusick war bereits über dem Tisch zusammengesunken, und die Tränen liefen ihm übers Gesicht. Er begann, mit so leiser Stimme zu sprechen, dass sie sich anstrengen mussten, um ihn zu verstehen.
    »Ich habe an dem Abend bei ihm vorbeigeschaut. Ich weiß, das hätte ich nicht tun sollen. Ich hatte Stephen versprochen, es nicht zu tun, aber ich musste den ganzen Tag an ihn denken – manchmal setzt sich ein Gedanke im Kopf fest und lässt sich nicht verscheuchen. Nach der Arbeit habe ich zwei Gläser im Pub getrunken und bin dann nach Haus, aber es hatte keinen Zweck. Ich dachte daran, ihn anzurufen, nur dass ich wusste, dass er den Anrufbeantworter eingeschaltet hatte oder dass er auflegen würde, und deshalb machte ich mich auf den Weg zu ihm. Es war schon spät, ziemlich spät sogar, und ich glaubte, er würde nicht |414| mal an die Tür kommen, und als er doch aufmachte, war er im Bademantel, starrte mich einfach nur an und sagte kein Wort, aber nach einer Ewigkeit fragte er: ›Was ist los?‹, und ich antwortete: ›Ich will nur mit dir reden‹ oder ›Ich muss mit dir reden‹. Ich weiß es nicht mehr genau. Und er sagte: ›Dann komm rein.‹
    »Ich wäre fast wieder gegangen, weil er so abweisend wirkte, aber er hielt die Tür auf und ich ging hinter ihm in den Flur, und er erklärte: ›Ich wollte gerade duschen.‹ Also meinte ich, er solle das ruhig machen, und er zuckte die Achseln und sagte, es würde nicht lange dauern, deshalb ging ich nach oben und wartete im Arbeitszimmer. Ich war sehr angespannt, ich weiß nicht, warum. Ich war eigentlich glücklich, dort zu sein, aber es war nicht mehr das Gleiche. Stephen, die Art, wie er mich behandelte, es war alles irgendwie anders.«
    McKusick verstummte und sah für einen Moment auf Christine Costello, dann fuhr er fort.
    »Als er aus der Dusche kam, folgte ich ihm ins Schlafzimmer und fragte ihn, was los sei, und er sagte: ›Ich dachte, wir hätten eine Vereinbarung.‹ Ich erwiderte, dass ich ihn wirklich sehen musste, und er sagte gar nichts, und dann meinte ich: ›Ich hätte nicht kommen sollen, oder?‹, und er antwortete: ›Nein.‹ Und da versuchte ich, einen kleinen Witz zu machen: ›Man könnte fast denken, du hast jemand anderen erwartet‹, und er sagte: ›Vielleicht‹. Nicht im Ernst, wissen Sie. Aber dann sah er mich an und sagte: ›Ich war mit jemandem zusammen, Mark. Ich denke, das solltest du wissen. Nur ein Mal, aber vielleicht sehe ich ihn wieder.‹
    Ich zitterte, das weiß ich noch, ich zitterte schrecklich, und fragte ihn, wie es mit jemand anderem gewesen sei, und er lächelte. Er hatte so ein wunderbares Lächeln. Und dann antwortete er: ›Großartig. Es war einfach großartig.‹ Da |415| habe ich ihn geschlagen. Mit der Faust. Ich schlug immer wieder zu, aber er schlängelte sich an mir vorbei und lief ins Badezimmer.«
    »Ich denke, Sie sollten aufhören«, sagte Christine Costello. »Sie sollten jetzt wirklich aufhören.«
    McKusick gab nicht zu erkennen, dass er sie gehört hatte. »Stephens Hockeyschläger stand im Ankleidezimmer«, fuhr er fort. »Er lehnte an der Wand. Er hatte schon seit Jahren nicht mehr gespielt, seit seiner Studienzeit nicht mehr. Aber aus irgendeinem Grund hat er ihn behalten und im Ankleidezimmer aufbewahrt. Da stand er nicht im Weg. Den schnappte ich mir und ging ihm ins Badezimmer nach. Er flehte mich an, ihn nicht mehr zu schlagen.«
    McKusick atmete heftig und unregelmäßig, jetzt schluchzte er und sein Atem war abgerissen.
    »Ich konnte einfach nicht aufhören.«
    Er vergrub sein Gesicht in den Händen.
    »Ich habe ihn geliebt«, sagte er. »Ich habe ihn so geliebt.«
     
    Helen schreckte aus dem Schlaf hoch und richtete sich mühsam auf dem Sofa auf. Ihre linke Schulter war taub, weil sie unbequem gelegen hatte, und ihr Hals fühlte sich steif an. Die Digitaluhr am DV D-Player
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