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Pasta Mortale

Pasta Mortale

Titel: Pasta Mortale
Autoren: Gmeiner-Verlag
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1.
    Bisher war
das Essen in diesem Zeitgeistschuppen die reinste Zumutung gewesen, fand
Palinski. Vor allem bei den wirklich ›erstklassigen‹ Preisen, die man hier im
›Desirée‹ in der Krottenbachstraße für das bestenfalls mittelmäßige Angebot
nahm. Und mittelmäßig war schon eine sehr freundliche Beschreibung für eine
kraftlose Rindssuppe mit Profiteroles aus dem Päckchen. Diese Consommé, wie sie
sich großspurig in der Karte genannt hatte, war der reinste Beweis für die
Richtigkeit der alten Küchenweisheit gewesen, dass die ›Suppe nicht ausgeht,
solange der Wasserhahn noch funktioniert‹.
    Oder was dem Gast da auf der bei flüchtigem Hinschauen
optisch zugegebenermaßen nicht unerfreulichen, etwas großspurig als ›Hors
d’œuvre Buffet‹ bezeichneten erweiterten Salatbar an nicht mehr vorhandener
Frische und nie vorhanden gewesener Originalität angetan wurde. Der kleine
Vorspeisenteller zu 9 Euro, der große zu 15. Wie in der Autobahnraststätte, nur
nicht ganz so gut.
    Und dann, als
bisherige Krönung des Zugemuteten, die lederartigen Filet Mignons, die das
Kauerlebnis, das einem eine Gummibadematte vermitteln musste, täuschend ähnlich
nachempfinden hatten lassen. Dazu diese Sauce béarnaise, mit einem Salzgehalt
wie das Tote Meer. Ganz zu schweigen von dem völlig zerkochten, mit Dosenmais
veredelten Tiefkühlmischgemüse. Einzig die Petersilienerdäpfel hätten in Optik,
Konsistenz und Würzung einigermaßen dem Standard entsprochen, hätten die
dienstbaren Geister in der Küche als Grün nicht irrtümlich Dill erwischt. Aber
bitte, das war, unabhängig davon, ob es den Angaben in der Speisenkarte
entsprach oder nicht, Geschmackssache. Ein Glück für die Küche, dass Palinski dieses
Kräutlein ganz gern mochte. Wenn auch eher am Lachs.
    Dafür waren die Portionen übertrieben groß, was
jedem einigermaßen kultivierten Gast einen weiteren gewichtigen Grund lieferte,
an der Philosophie des dafür verantwortlichen Gastronomen zu zweifeln. Denn die
Zeiten, in welchen Quantität gleichzeitig auch ein Qualitätskriterium war,
waren Gott sei Dank schon lange passé.
    Dabei war Palinski eigentlich nur ins ›Desirée‹ gekommen,
weil sich Franz Ferdinand Lehberger hier mit ihm treffen wollte. Wer aber nicht
gekommen war, war … Erraten.
    Na, vielleicht verbargen sich ja in der Dessertkarte noch
jene sensationellen ›kulinarischen Offenbarungen‹, von denen der juvenile
Foodexperte des ›Klopfgeistes‹ (›WasWoWann in dieser Stadt los ist, lesen Sie
nur bei uns‹) noch vor einigen Wochen so geschwärmt hatte.
    Palinski blickte sich um. Es war erst kurz nach
13.30 Uhr, und der zwar nicht allzu große, immerhin aber doch etwa 60
Sitzplätze umfassende Fresstempel war bis auf zwei weitere Gäste an einem
benachbarten Tisch gähnend leer. Falls das typisch für den Geschäftsgang des
angeblichen In-Lokals war, dann würde dieses Ärgernis wahrscheinlich ohnehin
schon bald ganz von selbst verschwinden. Möglicherweise sogar, noch ehe
Palinskis Gastrokritik im neuen ›Wien Kulinarisch‹-Führer erschien. Was in
ungefähr zwei Monaten der Fall sein sollte. Das nannte man Marktbereinigung,
und die würde in diesem Fall auch zu Recht erfolgen.
    Palinskis Blick arbeitete sich über die
unvermeidliche Mousse au Chocolat, die Macedonia di frutta und Omas Pancakes
(allein diese Bezeichnung verdeutlichte die exklusive Orientierungslosigkeit
des dafür Verantwortlichen in diesem Lokal) bis hin zu Somlauer Nockerln. Um
schließlich wohlgefällig auf den Kärntner Mohnnudeln haften zu bleiben. Das
Risiko bei diesem Gericht erschien Palinski überschaubar. Es erinnerte ihn an
die Ferien, die der kleine Mario mit seinen Eltern an einem schönen See im
südlichsten Bundesland verbracht hatte. Mohnnudeln hatte er schon lange keine
mehr gegessen. Allein schon wegen der in den handgewutzelten, aus Erdäpfelteig
bestehenden Köstlichkeiten steckenden Kalorien. Aber das war bei den mehr als
vier Kilo, die er durch die bisherige Mitarbeit an dem Gourmetführer bereits
zugelegt hatte, auch egal.
    Also, bei Mohnnudeln konnte wirklich nicht viel schiefgehen.
Und eine letzte Chance auf einen positiven Teilaspekt hatte sich der Laden ja
vielleicht verdient.
    »Bringen Sie mir bitte eine Portion Kärntner Mohnnudeln. Und
ein Glas von dem Zöbinger Eiswein«, konnte er dem nach Längerem wieder einmal
vorbeiflanierenden Ober gerade noch entschlossen
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