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Geliebter, betrogener Mann

Geliebter, betrogener Mann

Titel: Geliebter, betrogener Mann
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Er fand es langweilig, hier zu stehen, drehte dem See den Rücken zu und steckte sich eine Zigarette an. Dabei verbarg er das Streichholz in der Handhöhlung und hielt die Zigarette schnell an die flat ternde Flamme, ehe der Wind, der warm durch die See-Enge von Melide zu ihm hinwehte, das Streichholz ausblies.
    Diese Langeweile war bleiern und verwandelte jeden Urlaub zu einer Qual. Er wußte es, und er hatte sich auch diesmal, und wie immer erfolglos, gegen den ärztlichen Rat gestemmt: »Herr Pohland, Sie müssen ausspannen! Konzernherr zu sein, ist eine Lebensaufgabe – aber für einen Gesunden, nicht für einen Herzinfarkt!« Wie immer hatte er mild gelächelt, aber er wußte im voraus, daß es nichts nützte; Dr. Wehrmann hatte bereits einen Platz im Süden ausgesucht, das Hotel gebucht, die Fahrkarten besorgt (kein Auto, weder die bequeme Limousine, noch der schnelle Sportwagen), hatte Spaziergänge verordnet, Bewegung und Ruhe und in weiser Voraussicht gesagt: »Und wenn es Ihnen zum Halse raushängt, Herr Pohland, und Sie die ersten Tage nervös bis zum Zerspringen werden – es wird nicht lange dauern, und auch Sie liegen in einem Liegestuhl, sehen den Schiffchen zu, trinken Ihren Campari und freuen sich, daß Sie leben.«
    Michael Pohland hatte dieses Stadium des Genießens noch nicht erreicht. Er war erst seit drei Tagen in Lugano, und er fand es ausgesprochen dumm, ihn hier an einen zwar herrlichen See zu verbannen zu einer Zeit, in der er lieber mit der Colorado-Steel-Company verhandelt hätte wegen eines Projektes in Indien. Auch die weiße Leinenhose und der hellblaue, kurzärmelige Pulli erzeugten noch keine Ferienfreude in ihm, und der Blick über den See von der Riva Antonio Caccia zum Lido von Lugano und zur Straße nach Castagnola oder hinauf zum in der Sonne glänzenden Monte Bré war ihm so bekannt wie der Blick aus dem Fenster seiner Villa über den Rhein mit seinen träge durchs Wasser ziehenden Schleppkähnen.
    »Tanken Sie Ruhe und südliche Lebensfreude«, hatte Dr. Wehrmann ihm zum Abschied noch durchs Fenster des anfahrenden Zuges gerufen. »Und kommen Sie nicht vor vier Wochen zurück! Ich schicke Sie – auf mein Wort – wieder zurück!«
    Nun stand er am Seeufer, rauchte nervös, beobachtete einen Eisverkäufer und einen auf der Bank sitzenden Engländer, der mit Interesse die Gesellschaftsspalte seiner ›Times‹ studierte, auch in Lugano fest mit dem Leben in Londons City verbunden.
    Man kann in Lugano vieles tun, dachte Michael Pohland. Auch an einem Vormittag. Da ist der Lido. Da locken Ausflugsboote. Man kann auf den Monte Bré fahren oder auf den Monte Salvatore. Eine Fahrt nach Morcote oder hinüber nach Locarno bringt immer neue Eindrücke. Oder man setzt sich auf die Veranda eines der großen Hotels und läßt die Menschen auf der Riva Vic. Vela an sich vorbeiflanieren, dieses bunte Gemisch aus Genießen und Erwarten.
    Aber alles war nicht genug, seine innere Unruhe zu besänftigen. Dreimal hatte er bereits im Werk angerufen, als befände sich der Konzern schon nach den wenigen Stunden seiner Abwesenheit im Zusammenbruch, und es war ihm eine wirkliche Freude, wenigstens die Stimmen seiner Direktoren zu hören, die versicherten: Es ist alles in Ordnung. Schöne Ferien.
    Er warf die Zigarette auf die Steinplatten am Ufer, zertrat sie und ging langsam, die Hände in den Taschen der weißen Leinenhose, in Richtung der Schiffsanlegestelle am See weiter. Ein weißer Dampfer kam gerade von Gandria herüber, mit bunten Wimpeln beflaggt, in der Sonne leuchtend und das tiefblaue Wasser lautlos durchschneidend. Am Eingang zum Laufsteg stauten sich die Menschen, die mitfahren wollten. Ein weißes Schild mit blauer Schrift zeigte an, wohin das weiße Schiff fuhr. Campione, Morcote, Ponte Tresa.
    Michael Pohland blieb stehen und lehnte sich gegen die Wand des Kartenverkaufspavillons. Er wölbte ein wenig die Unterlippe vor und überlegte, ob er mitfahren sollte. Mittagessen in Morcote, auf einer Terrasse über dem See, unter einem Dach von Weinranken; nach dem Essen ein Streifzug durch die Läden unter den Kolonnaden, zu den Kupferschmieden und Antiquitätenhändlern. Es war immerhin ein Programm, mit dem man einen halben Tag totschlagen konnte.
    Unschlüssig nahm er seine Sonnenbrille ab und putzte sie mit einem Zipfel seines weiten Pullis. Eine Stimme, wohlklingend und von jener leicht dunklen Färbung, die einen Mann sofort fasziniert, schreckte ihn aus seiner Putztätigkeit
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