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Spionin in eignener Sache

Spionin in eignener Sache

Titel: Spionin in eignener Sache
Autoren: Amanda Cross
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Einladungen, die man nicht ablehnt, weil einem einfach die passenden Worte fehlen.
    Während sie sich widerstrebend auf den Weg machte, war ihr le Carrés Bemerkung über Smiley eingefallen: »Mit düsterer Vorah-nung stimmte Smiley dem vorgeschlagenen Termin zu. Ihm, der sich sein Leben lang Tarngeschichten ausgedacht hatte, gelang es immer noch nicht, sich aus einer Dinner-Einladung herauszureden.«
    Was ihm bei einer Einladung an seine alte Schule auch nicht gelungen wäre, versicherte ihm Kate, als sie zur Busstation ging. Ge-wiß, sie hatte keine Scheinexistenz geführt, immer den gleichen Namen und nur eine Identität gehabt, aber während sie sich allen möglichen gesellschaftlichen Ereignissen wie Dinnereinladungen, Cocktailparties und besonders Ehemaligentreffen jeglicher Art erfolgreich entzog, streckte sie, mit tiefem Groll zwar, bei einer Einladung ihrer früheren Schule die Waffen.
    Als sie im Bus saß, brütete Kate weiter. Seit sie die statistische Lebensmitte überschritten hatte – heutiger Statistik nach, die von einer längeren Lebenszeit ausgeht als die vorsichtige Schätzung der Bibel – , hatte sie beschlossen, sich keine Strategien mehr auszuden-ken, sondern die Dinge auf sich zukommen zu lassen und dann zu entscheiden. Strategien und Prinzipien engten einen ein und lähmten das Denken. An einem Prinzip hielt sie jedoch nach wie vor fest: nie an die alte Schule oder das alte College zurückzukehren, und je mehr Zeit seit ihrer Schul- und Collegezeit verstrichen war, desto hartnä-
    ckiger vertrat sie diese Devise. Trotzdem saß sie jetzt im Bus auf 12

    dem Weg zum Theban, der berühmten Privatschule für Mädchen, auf die sie vor vielen Jahren gegangen war.
    »Willst du allen Ernstes dahin zurück und einen Vortrag halten?«
    hatte Reed erstaunt gefragt. Kate merkte, daß er sich ernsthaft sorgte, beinahe als sei ihre Zusage ein Symptom ihres körperlichen und geistigen Verfalls.
    »Ich konnte einfach nicht ablehnen.« Gereizt hatte sie auf die Standardantwort aller zurückgegriffen, die einer unliebsamen Einladung in die Falle gegangen sind. »Die Direktorin bat mich, einen Vortrag für die Eltern der Oberstufe mit anschließender Diskussion zu halten. Mit gewissem Nachdruck wies sie mich darauf hin, daß ich seit dem Zwischenfall mit den Hunden damals jede Einladung ans Theban abgelehnt hätte.«
    »Aber das war doch unter einer anderen Direktorin«, hatte Reed eingewandt, der Kates elitäre Schulbildung schon immer einschüch-ternd gefunden hatte.
    »Ja schon, und der war ich keine Gefälligkeit schuldig, wenn du mir die entsetzliche Redewendung erlaubst. Eher umgekehrt. Aber bei der jetzigen habe ich zweimal darum betteln müssen, daß die brillante Tochter einer Freundin aufgenommen wird, denn besagte Tochter weigerte sich stur, sich so zu benehmen, wie es von einer Bewerberin fürs Theban erwartet wird. Ehrlich gesagt hatte ich gedacht, die Sache wäre durch meine Spende abgegolten, aber wer wollte dem Theban unterstellen, Geld und Bildungsauftrag zu verwechseln – ausgeschlossen!«
    »Kann denn nicht jemand anderer den verdammten Vortrag halten?« hatte Reed durchaus zu Recht gefragt. Sie saßen bei ihrem Abenddrink und waren wie öfter in letzter Zeit, wenn sie beide einen anstrengenden Tag hinter sich hatten, trotz der besänftigenden Wirkung von Alkohol und Intimität leicht gereizt.
    »Anscheinend bin ich die einzige Professorin, die ihnen eingefallen ist, und offenbar ist man brennend daran interessiert, mehr über die momentane Situation an den Universitäten zu erfahren. Angesichts des Wirbels um Studienrichtlinien und political correctness –
    diese entsetzliche und bedeutungsleere Phrase – ist das Theban so entschlossen wie eh und je, sich genau zu informieren und dann seine eigene Meinung zu bilden. Ich habe mich an den letzten Strohhalm geklammert und gesagt, daß ich in dieser Frage nicht gerade unparteilich bin: Keine einzige Entwicklung während der entsetzli-chen republikanischen Achtziger fände meinen Beifall, und meiner 13

    Meinung nach habe der Einfluß der Rechten auf das Land und die öffentliche Meinung eine verheerende Wirkung gehabt. Und da am Theban Unparteilichkeit über alles geht, glaubte ich, mir damit die Sache vom Hals geschafft zu haben. Aber keineswegs. Das Theban, in der Person der gegenwärtigen Direktorin, ist sich sicher, daß ich meine Voreingenommenheit klar zu erkennen gebe und mich dann unvoreingenommen den Fragen stelle. Außerdem habe
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