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Spionin in eignener Sache

Spionin in eignener Sache

Titel: Spionin in eignener Sache
Autoren: Amanda Cross
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ich das Ge-fühl, daß man dort insgeheim ganz meiner Meinung ist. In den Acht-zigern wurden die Ausgaben fürs Bildungswesen drastisch gekürzt.
    Wie dem auch sei, ich finde es beruhigend, daß das Prinzip der Toleranz in dieser Welt noch überlebt hat, wenn auch nur als spärlicher Funke.«
    »Und du fühlst dich genötigt, ihn zu schüren?« fragte Reed, aber im Grunde war es keine Frage.
    »Ach zum Teufel, was weiß ich?« hatte Kate übellaunig geantwortet, und die gleiche schlechte Laune überkam sie auch jetzt, als sie an das Gespräch zurückdachte. Sie hatte zu keiner ihrer ehemali-gen Mitschülerinnen Kontakt gehalten; dafür hatte sie weder genü-
    gend Zeit noch Interesse gehabt. Im Gegensatz zu Leuten, die auf jedes Klassentreffen gehen und Weihnachtskarten mit den neuesten Familiennachrichten verschicken, fehlte ihr jede Neugier, was aus ihren Mitschülerinnen geworden war oder wie sie jetzt aussahen; noch weniger wollte sie wissen, wie viele Kinder (Enkel? Nein, das doch wohl nicht!) sie alle hatten. Wie viele Frauen, die weder Kinder geboren noch adoptiert haben, langweilte und irritierte Kate das ewige Herumreiten auf der eigenen Nachkommenschaft, und das um so mehr, als man solch unweibliche Gleichgültigkeit tunlichst nicht eingestand.
    Als der Bus auf die Straße durch den Central Park einbog, versuchte Kate, sich durch die Betrachtung des Parks von ihren Gedanken abzulenken. Wie das Theban war der Central Park dazu angetan, nostalgische Erinnerungen zu wecken, hätte Kate zu derlei geneigt, was sie nicht tat. Irgendein englischer Schriftsteller hatte einmal bemerkt, Nostalgie sei ein »lähmender Sog, der Rückzug bedeutet«, und Kate stimmte dieser Weisheit zu. Der Park hatte sich verändert.
    Warum auch nicht? Das Leben veränderte sich ständig, und nur Narren glaubten, ausgerechnet zum Zeitpunkt ihrer Geburt sei die Welt vollkommen gewesen. Ihre Augen wanderten über die rußgeschwärzten Parkmauern, über den Abfall rechts und links, das lie-gengebliebene Auto, das, obwohl an den äußersten Fahrbahnrand 14

    geschoben, ein Hindernis war, denn trotz Gegenverkehrs hatte die Straße nur zwei Spuren und keinen nennenswerten Seitenstreifen.
    Über den verrußten Mauern erhob sich die Skyline der neunundfünf-zigsten Straße mit ihren Glastürmen, von denen die Sonnenstrahlen reflektierten.
    Dann waren sie auf Höhe des Kinderzoos. Kate war noch nie mit einem Kind dort gewesen, hatte aber von Zeit zu Zeit den Central-Park-Zoo besucht, sich die Robben und Eisbären angesehen und die Königspinguine, deren Brutgebaren auf den Tafeln mit offenem Staunen beschrieben wurde: nur die Männchen brüteten die Eier aus.
    Dann gab es die Schneeaffen, die eines kalten Winters in wärmere Gehege verlegt werden mußten. Offenbar waren die an japanische Temperaturen gewöhnten Tiere der Kälte amerikanischer Städte nicht gewachsen.
    Der Central Park hatte Hügel, auf denen ich früher Schlitten gefahren bin, dachte Kate und gab sich ihren Erinnerungen und dem sich sofort einstellenden Groll hin. Die Hügel waren inzwischen abgetragen, damit sich das Metropolitan Museum endlos ausbreiten konnte; man hatte so viele Säle angebaut, daß man sie nicht mehr bewachen und folglich auch nicht öffnen konnte. Und der Shakespeare Garden, wo war der noch? Weiter zu den Außenbezirken hin, meinte sie sich zu erinnern. Als Kind war sie einmal dort gewesen, aber seither nie wieder. Angeblich sollte dort jede Pflanze wachsen, die in Shakespeares Stücken vorkam. Kate, die kaum eine Narzisse von einer Hyazinthe oder eine Primel von einem Stiefmütterchen unterscheiden konnte und die nicht die leiseste Ahnung hatte, wie Kamillenblüten aussahen, obwohl sie sich genau an Falstaffs Worte darüber erinnerte – ach, zum Teufel mit dem Central Park, dachte Kate. Aber sie liebte den Park immer noch, auch wenn es, wie sie sich in Erinnerung rief, auf dem ganzen Gelände nur zwei Denkmä-
    ler berühmter Frauen gab: Mother Goose und Alice im Wunderland.
    Na, wahrscheinlich mußte man die neue, riesige Bärenstatue auf dem Spielplatz an der Neunundsiebzigsten Straße hinzuzählen, die zwei Junge zur Seite hatte. Männliche Bären trotteten bekanntlich frei von jeder Bürde ihres einzelgängerischen Wegs. Dann war der Bus am Ende der Strecke angekommen, und der Fahrer, der seine Fahrgäste offenbar so schnell wie möglich loswerden wollte, öffnete mit gebie-terischer Miene die Tür. Kate machte sich auf den vertrauten Weg zum
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