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Spionin in eignener Sache

Spionin in eignener Sache

Titel: Spionin in eignener Sache
Autoren: Amanda Cross
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oder nicht, ich habe das Gefühl, ich wurde in einen Kampf gestürzt, den ich gar nicht wollte.«
    »Wir können nur die Kämpfe ausfechten, die wir ererbt haben, ob als Nation oder Individuen. Den Kampf an der Schuyler haben wir ererbt, und wir haben ihn durchgefochten – ehrenhaft, meiner Mei-153

    nung nach. Und reden Sie sich bitte nicht ein, Sie seien sich zu fein für solche Kämpfe; das ist eine liberale Täuschung, mit der die Ver-wirklichung unserer Anliegen vereitelt wird, wobei ich hoffentlich davon ausgehen darf, daß unsere Anliegen die gleichen sind.«
    »Sie haben das Übel erkannt und den Kampf aufgenommen, und ich finde, dafür verdienen Sie großen Respekt. Aber ich für mein Teil, ich werde mich nie mit dem Gedanken anfreunden können, eine Spionin zu sein.«
    »Das ist Unsinn. Denken Sie zurück, meine Liebe. Denken Sie zurück. Wir alle werden schon als Kinder zu Spionen, denn das ist der einzige Weg, daß die Welt für uns Sinn ergibt.«
    Harriet benutzte mehr oder weniger die gleichen Worte, als sie einige Zeit später zu einem Abschiedstrunk bei Kate und Reed vorbeikam.
    »Wir lernen von Kindheit an, uns in Heimlichkeiten zu flüchten«, sagte sie. »Wie sollten wir anders überleben? Und von da bis zum Spionieren ist es nicht mehr weit.«
    »Kann sein«, meinte Kate. »Und genau deshalb habe ich wohl das Gefühl, daß ich als Spionin an die Schuyler kam oder zumindest unter Vorspiegelung falscher Tatsachen. Ich sagte schließlich nicht, ich wolle eine Revolution anzetteln, sondern ein Seminar über Recht und Literatur halten.«
    »Aber Sie haben nichts vorgespiegelt«, beharrte Harriet. »Sie sagten der Fakultät genau, was Sie vorhatten, und haben sich daran gehalten. Was hat das mit Spionage zu tun?«
    »Wir hofften, die Studenten würden aufwachen und etwas unternehmen, um die Zustände an der Fakultät zu verändern.«
    »Darum geht es doch beim Lehren, oder sollte es zumindest. Daß man hofft, die Studenten wachen auf und hinterfragen ihre Umgebung und die Bedingungen, unter denen sie leben. Ich sehe nicht, was das mit Spionage zu tun haben soll.«
    »Na, und wie war es dann bei Reed?«
    »Auch Reed tat genau das, was er angekündigt hatte – er führte das erste Projekt mit Praxisbezug an der Schuyler durch«, sagte Harriet, »und unterstützte Häftlinge, in die Berufung zu gehen. Er hat niemanden getäuscht.«
    Reed lächelte sie an. »Oberflächlich besehen nicht, das stimmt.
    Ich erklärte mich zur Leitung dieses Projekts bereit und hielt mich an die Zusage. Aber ich hatte meine eigenen Gründe, von der die Schuyler nichts ahnte: ich wollte eine neue Herausforderung, und ich 154

    wollte Kate gefallen. Keine Frage, das Projekt war eine gute Sache, und ich hoffe, es wird auch ohne mich fortgesetzt. Aber insgeheim hatte ich meine eigenen Ziele dabei, und auch ich habe am Ende zum Protest der Studenten an der Schuyler beigetragen. Das Ganze war also keineswegs so völlig durchsichtig und unverdächtig.«
    »Sie sind beide verkappte Romantiker«, kicherte Harriet. »Sie haben eine große Sehnsucht nach dem Guten. Als Sie eine Chance sahen, ein Übel abzustellen, da ergriffen Sie sie. So was tun Spione nicht, jedenfalls nicht laut le Carré und sonstiger Quellen. Ich glaube, Sie beide wollen sich gern als Maulwürfe hinstellen. Mein Gott, wir haben alle bestimmte Pläne, wir alle hoffen auf Veränderungen.
    Aber Sie haben niemanden angelogen, Sie und Kate, nicht einmal Geheimnisse hatten Sie voreinander, und was könnte besser beweisen, daß Sie keine Spione sind!«
    »Hatten wir wirklich keine?« fragte Kate.
    »Nein«, erwiderte Reed. »Hatten wir nicht. Auf eine Art hat Harriet recht. Ohne uns hätte man an der Schuyler einfach ewig so wei-tergemacht. Dabei haben wir ja gar nichts Dramatisches getan. Allein unsere Gegenwart hat ihnen Angst eingejagt. Wir haben nicht infiltriert, wir waren wir selbst. Spione infiltrieren.«
    »Um ein le Carréscher Spion zu sein«, verkündete Harriet entschlossen, »muß man einem Regierungsorgan angehören, am besten dem Geheimdienst, und muß die Öffentlichkeit und alle Welt belü-
    gen. Man muß eine verkommene Moral haben, sich einreden, alles was man tut und jede Lüge, die man verbreitet, sei gerechtfertigt. Ich würde sagen, Sie beide sind vom Spionageverdacht entlastet.«
    »Aber Sie sind eine Spionin, Harriet. Sie haben Reed belogen, als Sie ihm Ihre Verbindung zu seiner Mandantin verschwiegen. Ich finde, Verschweigen ist die schlimmste
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