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Spionin in eignener Sache

Spionin in eignener Sache

Titel: Spionin in eignener Sache
Autoren: Amanda Cross
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könnte den Untergang unserer Welt bedeuten; den Untergang unserer Universitäten ganz bestimmt und mit noch größerer Sicherheit den unseres Rechts-systems. Deshalb beschloß ich, etwas dagegen zu tun. Ich will Ihnen gern erklären, wie ich die Sache sehe.« Harriet lächelte Kate an. »Sie
    – die Mittelmäßigen – halten mit aller Kraft an etwas fest, was sie Prinzipien nennen. Seien Sie immer auf der Hut vor Leuten mit Prinzipien! Ich meine damit nicht bestimmte Grundprinzipien, wie die Goldene Regel oder das von dem Hebräer, der verkündete, man solle seinen Nächsten lieben wie sich selbst. Ich meine Leute, die sich an Strukturen klammern, die seit Jahren, wenn nicht Jahrhunderten, nie 143

    hinterfragt wurden. Sie haben sich’s so behaglich gemacht darin, daß sie um keinen Preis hinausbefördert werden wollen. Deshalb sind Frauen ja auch zu einer solchen Bedrohung geworden, verstehen Sie? Denn wenn Frauen die alten Bahnen verlassen, kommt die ganze Struktur ins Wackeln, was wiederum dazu führen könnte, daß die Männer von ihren gepolsterten Sitzen fallen. Und die liebe akademische Männerwelt, egal, ob in der Literatur- oder Rechtswissenschaft, Soziologie oder Psychoanalyse, ist entschlossen, an antiquierten Systemen festzuhalten und in jedem Umwandlungsversuch den Anfang vom Ende zu sehen. Für diese Mistkerle wäre es allerdings das Ende, keine Frage, und sie sind schlau genug, das zu wissen.«
    »Und jetzt sind Sie hier in New York und bekämpfen die Dummheit und Niedertracht an der Schuyler.«
    »Werden Sie nur nicht gereizt, Kate. Das steht Ihnen nicht. Ich habe Ihre Ruhe immer bewundert. Jedenfalls, wie ich Ihnen schon gestand, habe ich mir ein Beispiel an John le Carré genommen und beschlossen, George Smiley nachzueifern. Ich denke, ich brüte, ich organisiere. Sie wissen ja, wie er zum Schluß hinter Karla her ist.
    Smiley ist mein Vorbild. Ich bin nicht so dick, wahrscheinlich grö-
    ßer, eine Frau und habe keinen Geheimdienst im Rücken, aber mit meinen bescheidenen Mitteln tue ich, was ich kann. Wenn sich die Schuyler wirklich verändert hat, und diesen Anschein hatte es auf der Versammlung, dann war das der Schlußakt meines Lebens in der akademischen Welt. Smiley lebte unter den verschiedensten Namen, fuhr Leihwagen zu Schrott und stellte sonst noch alles mögliche an, wozu ich nicht in der Lage war. Ich habe lediglich mein Bestes versucht.«
    »Würden Sie sagen, Sie haben gesiegt – wie Smiley?«
    »Ich finde, wir alle haben gesiegt. Doch wie Smiley weiß ich, daß kein Sieg vollkommen ist. Aber immerhin, er hat Karla geschnappt, und wir haben…«
    »Was haben wir, Harriet? Bitte, sagen Sie es.«
    »Wirklich Kate, Sie haben nicht nur Gedächtnislücken, Sie wiederholen sich auch. Wir wissen genau, was wir erreicht haben, wir waren doch alle auf der großartigen Versammlung! Vielleicht sollten wir uns doch einen Drink genehmigen. Der Tag ist schon hübsch weit vorgerückt, finden Sie nicht?«
    »Lassen Sie ihn noch ein bißchen weiter vorrücken.«
    »Na gut, Sie sind die Gastgeberin, Sie haben mich herzitiert.«
    Harriet nahm die Haltung eines Denkmals der Geduld an.
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    »Damals, als Sie über den Trompetenbaum sprachen«, sagte Kate schließlich, »und auch eben bei Ihren Ausführungen über die Mittelmäßigkeit, haben Sie mit keinem Wort erwähnt, ob Sie und Ihr Mann Kinder hatten.«
    Harriet gab ihre Pose auf und streckte die Beine von sich.
    »Aha«, meinte sie. »Ich hab mich schon gefragt, wann Sie endlich auf sie zu sprechen kommen.«
    »Auf wen?«
    »Demeter, natürlich.«
    »Demeter.« Kate wiederholte das Wort und mußte sich eingestehen, daß es Harriet immer noch gelang, sie aus der Fassung zu bringen.
    »Ich dachte, Sie kennen sich aus mit der griechischen Mythologie. Besonders mit dieser Sage. Ich dachte, Sie hätten sie die ganze Zeit im Hinterkopf gehabt. Ich bin wirklich enttäuscht von Ihnen, Kate.«
    Sie saßen einen Moment schweigend da.
    »Es ist ja nicht so, als hätten Sie Demeter je erwähnt«, murmelte Kate, der plötzlich ein Licht aufging.
    »Wohl kaum.« Harriet klang vor den Kopf gestoßen. »Schließ-
    lich konnte ich die Früchte nicht am Wachsen hindern oder irgendeinen Handel mit den höheren Mächten abschließen. Heutzutage haben die Frauen nicht mehr solche Kräfte; ich dachte, das sei Ihnen klar.«
    »Ja«, nickte Kate. »Ich verstehe jetzt, daß Sie davon ausgingen, mir würde Demeter einfallen. Schließlich ist die Demeter-Sage eine
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