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Spinnen füttern

Spinnen füttern

Titel: Spinnen füttern
Autoren: Rawi Hage
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und flog dann weiter.
    Bücher
    Wie geht’s, fragte Zainab, sie trat gerade mit ihren Büchern aus der Haustür, ihr Haar war nass und frisch gekämmt.
    Eine lange Nacht, sagte ich. Die Welt ist ein Zirkus, das wird sich niemals ändern. Ich habe ein Buch, das ich dir gern zeigen würde.
    Hast du es dabei?
    Nein, es ist in meiner Wohnung, sagte ich. Komm doch mit, ich mache dir einen Kaffee, bevor du gehst. Eine Tasse Kaffee hält dich wach und schärft die Aufmerksamkeit, denn Gottes Wort mit all seinen Widersprüchen kann sehr verwirrend sein. Ich persönlich hätte Angst, in ein tiefes Loch ewiger Langeweile zu fallen. Außerdem sind deine Haare nass. Du solltest sie bedecken, oder du wartest ein wenig, bis sie trocken sind, und trinkst derweil einen Kaffee, damit du dich nicht erkältest.
    Wie aufmerksam, wie lieb, sagte sie, ich habe nur leider keine Zeit, ich bin auch noch nicht fertig mit dem Stapel Bücher, die du mir letzte Woche vor die Tür gelegt hast. Und warum meinst du, ich könnte mich für die Geschichte der Hofnarren interessieren oder für die Geschichte der komischen Groteske . Was willst du mir damit sagen, Fly? Du weißt doch, dass ich eine Doktorarbeit über Religion schreibe.
    Ich glaube tatsächlich, dass du deine Promotion auf Clowns ausweiten könntest. Gibt es denn etwas im Himmel oder auf Erden, das mächtiger ist als ein gutes Maß an Spott und Gelächter?
    Ach Fly, sagte sie belustigt, du nimmst das Leben viel zu ernst. Und mach dir keine Sorgen wegen meiner Haare.
    Hast du – oder hat jemand in deiner Familie – die Pilgerreise zum schwarzen Stein gemacht?
    Was für eine merkwürdige Frage, sagte sie erstaunt, so früh am Morgen.
    Ich habe an meinen Vater gedacht, er hat sich zu diesem Stein aufgemacht.
    Und das ist deine Bezeichnung dafür?, fragte Zainab. Ein Stein?
    Na ja, genau das ist es doch.
    Aber es bedeutet doch mehr.
    Für wen?
    Für einige von uns, antwortete sie. Nicht für alle, aber für eine Menge Menschen. Wer weiß, vielleicht wird das eines Tages für alle Menschen gelten.
    Durch Unterwerfung?
    Durch Bekehrung, sagte sie und sah mich verärgert an.
    Bekehrung durch Liebe oder Bekehrung durch Macht?
    Durch Liebe wäre netter.
    Wie war denn die Nachtschicht, fragte sie, als ich gerade anbeißen wollte.
    Ich erzählte ihr von dem Angebot des Mannes. Sie hörte aufmerksam zu und fragte schließlich: Und warum hast du es nun angenommen?
    Weil er gesagt hat, dass im Universum überhaupt nichts legal ist. Ich hatte dem nichts entgegenzusetzen, also habe ich zugesagt.
    Es muss doch Gesetze geben, meinte Zainab, sonst gehen wir im Chaos unter.
    Göttliche Gesetze?
    Von Menschen gemachte Gesetze, sagte sie, von Gott oder von der Natur. Wir brauchen etwas Höheres, das uns leitet.
    Aber die Gesetze der Menschen dienen nur denen, die sie machen, rief ich, und die Gesetze der Natur sind voller Willkür. Und die göttlichen Gesetze sind hoffnungslos veraltet, es ist höchste Zeit, sie auf den neuesten Stand zu bringen.
    Welche denn zum Beispiel?
    Dass Wein verboten ist. Es stimmt schon, diese Gläser schwenkenden, schnüffelnden und spuckenden Weinschnösel sind nicht zum Aushalten. Aber wäre es nicht sinnvoll, wenn die verschiedenen Götter einen Zusatzartikel verfassten, wenn sie eine korrigierte, mit einer Anmerkung des Übersetzers versehene Auflage herausgeben würden, in der auf Gefahren und auf den möglichen Nutzen des Weins hingewiesen wird? Wie wäre es mit einer Rechtfertigung oder einer Entschuldigung für die Irrelevanz des Textes im Zeitalter des wissenschaftlichen Fortschritts? Oder mit einer Abhandlung über Sinn und Zweck der freien Liebe! Der Club verknöcherter Religionsführer sollte sich auf jeden Fall die Liebe einmal vornehmen … Was haben sie denn, deine patriarchalischen Götter? Wo stecken sie überhaupt? Ihre Gesetze locken heute keinen mehr hinterm Ofen hervor.
    Vielleicht sind die Götter nur für dich unsichtbar.
    Heureusement , sagte ich und spielte einen Franzosen, der in der einen Hand Champagner, in der anderen einen Strauß Blumen hält. Es wäre auf jeden Fall ein Schock, einem von ihnen leibhaftig zu begegnen. Sie haben so viel Blut an den Händen, ich würde am liebsten jeden Einzelnen von ihnen an meinen Bettpfosten fesseln und windelweich prügeln …
    Jetzt lachte sie beinahe.
    Du bist ein Witzbold, sagte sie. Ich muss jetzt wirklich los.
    Brasilien
    Die Nacht darauf nahm ich vier besoffene Knallköpfe mit, die unerklärlicherweise
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