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Spinnen füttern

Spinnen füttern

Titel: Spinnen füttern
Autoren: Rawi Hage
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alle weiße Anzüge trugen. Sie waren sehr aggressiv. Nachdem sie sich eine Weile gegenseitig mit ihrem fick dich … komm schon, komm schon bombardiert hatten, wandte sich einer an mich. Vielleicht suchte er ein Ventil für die angestaute Gewalt in der Gruppe, einen Prügelknaben. Er fragte, woher ich käme.
    Mir war schon klar, worauf das hinauslaufen würde. Brasilien, sagte ich, um das Gespräch in Richtung Strand und Tangas, mit ein bisschen Glück auch auf Fußball und Karneval zu lenken. Über Frauen auf Stränden, über Bikinitänze und Surfbretter brauchte man sich nicht zu streiten, das komm schon , dachte ich, könnte zur Einigung einladen, fick dich seine literarische Bedeutung wiedergewinnen.
    Doch dann entdeckte einer dieser Schlaumeier meinen Taxischein und rief: Das soll ein brasilianischer Name sein? Du bist doch ein verfickter Kameljockey, aus der Wichswüste oder was, Brasilien, dass ich nicht lache! Warum hast du keine Windel auf dem Kopf, du willst uns verscheißern, du bist bestimmt schon dreimal um den Block gefahren.
    Genau, rief ein anderer, Kumpel, wo ist denn jetzt unser Hotel? Willst du uns verarschen, nur weil wir Touristen sind? Wir sind zwar nicht von hier, aber wir sind hier immerhin in unserem eigenen Land. So leicht legst du uns nicht herein.
    Ich sagte nichts, während sie mich immer lauter provozierten.
    Am Hotel stiegen sie aus. Lügner, rief einer, BRASILIEN am Arsch, kannst ja wieder dahin gehen. Er schlug die Tür zu, sie hatten keine Lust, mich zu bezahlen. Lügner und Betrüger kriegen von uns kein Geld, riefen sie, und jedes Wort stank nach Alkohol.
    Ich steckte den Schraubenzieher in den Ärmel und folgte ihnen ins Hotel. Zahlen muss jeder, hatte ich mir einst geschworen. Ich stellte mich ihnen in den Weg und sagte: Wenn ihr nicht zahlt, läuft euch gleich das rote Blut über die weißen Anzüge. Und wenn ich euch die ganze Nacht von Bar zu Bar verfolgen muss, ich werde euch jagen. Und wenn sie sich schlafen legen, dachte ich, reiße ich ihnen die Laken unter den Körpern weg, ohne dass sie es merken. Ich führe ihre Nutten in die Schlafzimmer ihrer Freundinnen, und ihre Kokslinien ersetze ich durch Angelschnüre, sie ziehen sich die Haken durch die Nase ins Gehirn, und wenn sie eines Sonntags mit der Grillzange in der Hand im Garten stehen, bin ich der Clown, den sie bestellt haben, der Jongleur … Lügner, Lügner, brüllten sie nur und gingen zum Aufzug, nur der Kleinste von ihnen, der blieb stehen und sah mich an.
    Grinsend kam er auf mich zu, zog zehn Dollar aus der Tasche und reichte sie mir. Er lachte und sagte: Brasilien, wie lustig. Rest ist Trinkgeld, Kumpel. Er klopfte mir auf die Schulter, wandte sich um und ging.
    Ich kehrte zum Wagen zurück und steckte den Schraubenzieher ins Türfach.
    Noch in derselben Nacht nahm ich einen Mann mit, der behauptete, er sei gerade aus der Irrenanstalt ausgebrochen. Er riss die Beifahrertür auf, setzte sich neben mich und rang um Atem. Er war weggerannt, weil gerade ein Rollbett – oder war’s ein Rollstuhl?, murmelte er – zwischen ihm und der dicken Krankenschwester gestanden hatte, die ihn am Bett fixieren wollte. Er kriegte sich gar nicht mehr ein, so lustig fand er das. Schließlich zeigte er mir seine Handgelenke. Ich sah sie mir genau an, entdeckte aber keine Fesselspuren. Er könne sich aus jeder Zwangsjacke befreien, behauptete er, zur Not sogar aus einem Wassertank, er sei nämlich im Besitz der Wahrheit.
    Welcher Wahrheit?, fragte ich.
    Alle Menschen stecken in der Falle, sagte er, bis der Ruf sie erreicht.
    Ich fragte, wohin er wolle. Er antwortete nicht. Ich hielt an und sagte: Hören Sie, guter Mann, wenn Sie mir nicht sagen können, wohin Sie wollen, dann können Sie auch jetzt aussteigen, ich fahre nämlich so nicht weiter. Sie müssen mir schon die ganze Wahrheit sagen, wo wollen Sie also hin?
    Stasis ist tödlich, hechelte er, er war noch immer außer Atem.
    Gut, aber bis der Tod kommt, bleiben wir noch in Bewegung. Wohin soll es also gehen?
    Zu Cyprians Restaurant.
    Da haben Sie Glück, sagte ich, den Laden kenne ich nämlich. Denn ohne diese Wahrheit müssten Sie jetzt wieder auf die Straße und vor der dicken Krankenschwester weglaufen.
    Ich fragte, ob er überhaupt bezahlen könne. Cyprian ist mein Bruder, sagte er, er wird die Fahrt bezahlen.
    Also fuhr ich ihn zum Restaurant.
    Hören Sie, sagte ich und ging hinter ihm her. Finden Sie nicht auch, dass der Name ein bisschen übertrieben ist für
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