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214 - Der Mann aus der Vergangenheit

214 - Der Mann aus der Vergangenheit

Titel: 214 - Der Mann aus der Vergangenheit
Autoren: Michael M. Thurner
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1. 1763: Frühe Jugend
    »Komm sofort ins Haus, kleiner Mann!«
    »Aber maman, ich habe gerade etwas ganz Tolles gebastelt…«
    »Du hast noch dein ganzes langes Leben vor dir, um tolle und interessante Dinge zu basteln. Jetzt aber kümmerst du dich augenblicklich um deine Hausaufgaben! Der Herr Papa ist nicht bereit, Unsummen für einen Privatlehrer auszugeben, um dann zu hören, dass sein Viertgeborener nur Flausen im Kopf hat und dauernd von irgendwelchen Erfindungen faselt.«
    »Aber maman…«
    »Schweig! Du kommst augenblicklich ins Haus! Und überhaupt: Erfindungen! Warum beschäftigst du dich nicht mit der Juristerei oder dem Studium der alten Sprachen? – Gott weiß, dass schon alles erfunden wurde, was Sinn macht. All die Scharlatane, die Seine Ordnung auf den Kopf stellen wollen und von Selbstbestimmung des Menschen plappern, sollten unter der Guillotine enden, jawohl! Der Mensch ist von der Schöpfung dafür vorgesehen, sein Lebenswerk in Gottesehrfurcht zu verrichten, und nicht, um darüber nachzudenken, wie man es sich besser richten kann. Es ist eine Schande, fürwahr, dass Kinder deines Alters die unmöglichsten Gedanken wälzen, statt das Buch der Bücher zu studieren.«
    »Aber maman…«
    »Keine Widerrede, du Lausebengel! Lass endlich ab von diesen mechanischen Spielereien und deinem Flugdrachen! Ach Gott, womit habe ich ein solches Kind nur verdient…«
    »Hier bin ich, maman.«
    »Wir erwarten Monsieur Touton in einer halben Stunde… Ach du meine Güte! Was bist du schmutzig und rußig! Es ist eine Plage mit dir, kleiner Herr! Eher lernt ein Hammel fliegen, als dass Verstand und Anstand in deinem Kopf Platz finden.«
    2. 1772: Ade, Vaterhaus
    »Du hast es dir gut überlegt, mein Sohn?«
    »Ja, Herr Vater. Metz kann mir nicht dasselbe bieten wie Paris.«
    Mathurin Pilastre marschierte in der kleinen Stube unruhig auf und ab. Jean-François hatte seinen Papa selten so aufgeregt gesehen wie heute.
    Abrupt blieb der Vater stehen und drehte sich ihm zu.
    Der alte abgewetzte Rock legte sich über den dürren Körper. »Du bist der Viertgeborene«, sagte er leise und mit Bitterkeit in der Stimme. »Ich konnte dir niemals dieselbe Aufmerksamkeit widmen oder eine ausreichende finanzielle Zuwendung wie deinen älteren Geschwistern.«
    Mathurin Pilastre zuckte mit den Achseln. »Manchmal denke ich, dass ich falsch gehandelt habe. Du besitzt weitaus mehr Verstand als alle anderen meiner Bälger zusammengenommen. Und dennoch verlangte es die Form, dass ich Paul als Erstgeborenen die beste Ausbildung zukommen ließ. Paul, der nichts Besseres zu tun hat, als seine Apanage Tag für Tag in Wirtshäusern zu versaufen und zu verhuren, statt das Geld für sein berufliches Weiterkommen oder dafür zu nutzen, seinem alternden Vater beizustehen. Gérard, dessen Verstand mir eher simpel gestrickt scheint, wird sein Glück hinter den Klostermauern finden. Um ihn muss ich mir keine Sorgen machen, ganz im Gegensatz zu der kleinen Toutou. Sie ist sauber und zierlich gebaut, aber leider hässlich wie die Nacht. Ich werde sie wohl oder übel an den feisten Bäckermeister Archète in der Rue Solais binden und darauf hoffen, dass mir die Mitgift nicht die letzten Reserven meiner Ersparnisse wegfrisst.«
    Mathurin Pilastre legte seinem Sohn eine Hand schwer auf die Schulter. »Dir konnte ich ein lediglich ein leidlich gutes Grundstudium der Chemie und Alchimie angedeihen lassen, mein Sohn. Mehr war mir nicht möglich. Und heute… Ich gebe dir Empfehlungsschreiben mit, die dir in Paris Zugang zu nicht ganz unbedeutenden Kreisen verschaffen werden. Dazu bekommst du einen kleinen Beutel voll Sous ( 240 Deniers = 20 Sous = 1 Livre (ca. 10-15 Euro); es gab die Livre allerdings nie als Münze, man rechnete nur damit bereits ) im Gegenwert von zehn Livres, der dir über die ersten Wochen hinweghelfen wird – und meine ganze Hoffnung und Liebe.«
    »Ich danke Euch, Papa.« Jean-François Pilastre du Rosier deutete den förmlichen Knicks an und umarmte dann seinen Vater. »Ich werde Euer Vertrauen nicht enttäuschen. Die moralische Unterstützung und die Erziehung, die Ihr mir mit auf den Weg gebt, ist mir von größerem Wert als alles Geld der Welt.«
    »Ich höre deine Worte«, flüsterte Mathurin Pilastre mit tränenfeuchten Augen, »und ich weiß, dass ich zumindest eine Sache in meinem Leben richtig gemacht habe.«
    Jean-François umarmte die Mutter, die stumm und völlig ratlos dastand. Die Jahre nagten an ihr, die
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