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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 6 Tod in Kupfer

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 6 Tod in Kupfer

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 6 Tod in Kupfer
Autoren: Martin Clauß
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    Die Sommerferien waren gerade einmal zwei Wochen alt, und Anna langweilte sich bereits.
    Ihre Eltern konnten dieses Jahr nur eine Woche Urlaub einschieben, erst ganz am Ende der Ferien, im September. Man würde sieben Tage in die Steiermark fahren und fünf davon nach der letzten Wärme des Sommers suchen.
    Für Anna zog sich der August unerträglich in die Länge. Die besten Bücher in der hiesigen Stadtbücherei hatte die zwölfjährige Leseratte bereits in den letzten Ferien verschlungen – einige davon schon zum dritten Mal –, und die finanziell angespannte Lage der Stadtkasse hatte sich verheerend auf die Bibliothek ausgewirkt. Neuanschaffungen im Bereich der Kinder- und Jugendbücher gab es fast keine, und das, obwohl in den letzten Monaten mehr als nur eine Handvoll interessanter Romane erschienen waren.
    Trotzdem war Anna auf dem Weg zur Bücherei. Manche Bücher waren es wert, immer wieder neu entdeckt zu werden. Es war halb zwei, und das etwas pummelige Mädchen fühlte sich schlapp von dem reichhaltigen Mittagessen. Drei Teller Penne mit Kräutersoße hatten sie nicht davon abhalten können, auch beim Nachtisch, Vanilleeis mit Erdbeeren, noch einmal kräftig zuzuschlagen. Jetzt, wo sie schwer wie ein Nilpferd über den heißen Asphalt der Innenstadt lief, bereute sie jeden einzelnen Bissen.
    Eigentlich gab es nur einen Ort, an dem sie jetzt gerne gewesen wäre. Eine geheime Stelle, kühl, dunkel und abgeschieden, mit einem faszinierenden Spielzeug darin, dessen man nie müde wurde.
    Ihre Freundin hatte ihr den Ort gezeigt.
    Doch er war zu weit entfernt, um ihn zu Fuß zu erreichen. Beinahe zehn Kilometer. Mit ihrer Freundin zusammen hatte sie in den Osterferien einen Ausflug dorthin gemacht. Mit ihren Fahrrädern waren sie dort gewesen, hatten die Zeit vergessen und waren erst nach der Dämmerung zurückgekehrt. Natürlich hatte sie sich eine Strafpredigt von ihren Eltern anhören müssen, aber schließlich waren sie zu zweit gewesen und hatten aufeinander aufgepasst.
    Anna hätte Lust gehabt, den Ort heute aufzusuchen, aber ihre Freundin hatte keine Zeit, und alleine traute sie sich nicht. Außerdem war es wohl zu heiß, um die Strecke mit dem Fahrrad zurückzulegen.
    Sie stand an der Fußgängerampel, die eben auf Grün wechselte, als ein Auto hupte. Ihr Kopf ruckte herum, und der erste Wagen, der an der roten Ampel wartete, war ein silberner New Beetle. Sie kannte das Auto.
    „Onkel Uli!“
    Der Fahrer hatte die Scheibe an der Beifahrerseite heruntergefahren, lehnte sich nach rechts und spähte zu ihr heraus. Ein breites Gesicht mit einem spärlichen Schnurrbart grinste sie an. Schwarzer Soul-Pop der seichtesten Sorte drang in gemäßigter Lautstärke heraus. Und der kühle Hauch klimatisierter Luft. „Anna! Was treibst du?“
    „Oh, ich ... nichts, ich ... langweile mich“, antwortete sie, lief zur Beifahrertür und legte ihre Hände in das geöffnete Fenster. „Und du?“
    „Dasselbe in Silber“, gestand der Mann und klopfte lächelnd auf das Lenkrad. „Willst du einsteigen?“
    „Klar!“ Anna brauchte nicht lange zu überlegen. Sie mochte Onkel Uli, und sie mochte sein Auto. Kurzentschlossen öffnete sie die Tür, schlüpfte auf den Beifahrersitz, griff nach dem Gurt und schnallte sich an. Sie war ein Kind, das auf Sicherheit achtete.
    Inzwischen hatte die Ampel wieder auf Grün gewechselt, und Onkel Uli trat aufs Gaspedal.
    „Du langweilst dich auch?“, fragte Anna zweifelnd. „Ich denke, Erwachsene haben immer was zu tun.“
    Der Mann lachte. „Schon. Aber manchmal hat man keine Lust dazu. Weißt du, wenn Jasmin nicht da ist, fühle ich mich irgendwie ... orientierungslos.“
    „Das tut mir leid.“ Tante Jasmin war seine Frau, und da sie unter chronischem Asthma litt, war ihr diesen Sommer eine Kur verordnet worden. Onkel Uli blieb als Strohwitwer zurück.
    „Es ist verrückt“, sagte er und klopfte auf sein Lenkrad. „Da kommen Leute aus ganz Deutschland zu uns in den Schwarzwald, um eine Kur zu machen, und Jasmins Arzt schickt sie an die Nordsee.“
    „Gefällt es ihr dort nicht?“
    „Natürlich gefällt es ihr. Du weißt doch, wie versessen sie aufs Verreisen ist. Ich hätte sie im Urlaub nur gerne bei mir gehabt, verstehst du?“
    „Aber du kannst doch jetzt das tun, was du schon immer gerne tun wolltest. Lange Fernsehen, im Bett frühstücken ...“
    Onkel Uli seufzte. „Du wirst es mir nicht glauben, aber alles das verliert am zweiten Tag seinen
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