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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 6 Tod in Kupfer

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 6 Tod in Kupfer

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 6 Tod in Kupfer
Autoren: Martin Clauß
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glimpflich abgegangen, denn ...
    Das Kind war nicht das Mädchen auf dem Foto! Es war nicht die kleine Anna, die seit gestern als vermisst galt.
    Trotzdem kannte Melanie das Mädchen.
    Es war Natalie, ihre zwölfjährige Halbschwester.
    Unmöglich! Wie kam sie hierher? Sie war es nicht, die vermisst wurde. Ganz sicher nicht.
    Natalie rannte ein Stück auf sie zu, dann blieb sie stehen. Kam nicht mehr näher.
    „Mel?“, sagte sie ungläubig. Erst jetzt erkannte sie ihre ältere Schwester, keine drei Schritte von ihr entfernt. Melanie verstand. Sie musste schrecklich zugerichtet sein, ihre Kleider und ihr Gesicht mit Erde verschmiert, und das Grauen noch in ihrer Miene ...
    „Natalie?“ Natalie sah aus, als hätte sie geweint. Warum kam sie nicht zu ihr? „Natalie, warum bist du hier?“
    Das Mädchen antwortete nicht. Die beiden Schwestern starrten einander an, und die Welt gefror.
    Plötzlich hoben Melanie zwei kräftige Hände hoch, stellten sie auf die Beine, stützten sie. Für einen Moment hatte sie den aberwitzigen Eindruck, die Hände könnten Artur gehören, doch dann sah sie, dass der jüngere der beiden Beamten sie stützte, während der ältere Arturs Arm hielt. Arturs Hände steckten in Handschellen. Er war auf die Beine gekommen, ließ jedoch den Kopf hängen und schien in Gedanken versunken.
    „Sie kennen sich?“, fragte der Polizist leise an Melanies Ohr.
    „Ja“, hauchte sie, und dann erst fiel ihr auf, dass sie nicht wusste, ob er von Natalie oder von Artur sprach.
    „Das ist ... meine Schwester Natalie“, erklärte sie. „Oder ... Halbschwester. Was tut sie hier?“
    Der Beamte zögerte und entgegnete dann: „Natalie hat uns hierher geführt, zu dieser Hütte. Wir suchen Anna, ein vermisstes Mädchen.“
    „Meine beste Freundin“, schaltete sich Natalie ein. „Sie ist verschwunden, seit gestern, und die Polizei wollte von mir wissen, ob ich mir vorstellen könnte, wo sie ist.“
    „Wir haben Verwandte und Freunde der kleinen Anna befragt“, kommentierte der Beamte. „Und Natalie erzählte uns von einem besonderen Ort, dieser Hütte hier.“
    „Ich war einmal mit Anna hier“, sagte Natalie. „Es hat ihr sehr gefallen. Weißt du noch, Mel, als wir hier waren und als du gesagt hast, ich könne jemand mitbringen, jemand besonderes?“
    Melanie war unfähig zu nicken. Natürlich erinnerte sie sich. Natalie und ... Anna? Ihre Schwester hatte dem verschwundenen Mädchen diesen Ort gezeigt? Was bedeutete das?
    „Anna fand es wunderschön“, sagte Natalie. Und es konnte kein Zweifel bestehen, was sie mit „es“ meinte. Sie meinte den Tank aus Kupfer, dieses magische, unwirkliche Objekt, das auch Melanie so fasziniert hatte. Und Natalie.
    „Wir schließen nicht aus“, fuhr der Beamte fort, „dass Anna dieses Versteck ihrerseits jemandem zeigen wollte. Vielleicht einem Erwachsenen, der sie dann ...“ Der Mann räusperte sich und unterbrach sich, vermutlich aus Rücksicht auf das anwesende Kind.
    „Es ist kein Versteck“, verbesserte Natalie. „Es ist ... ein Zauberort.“
    Der Beamte zuckte die Schultern. „Ehrlich gesagt, verstehen wir gar nichts“, gestand er mit einem hilflosen Lächeln. „Können Sie uns weiterhelfen? Was hat es mit dieser Hütte auf sich? Und was wollte dieser Mann“, er meinte Artur, „von Ihnen?“
    Melanie bekam die Worte wie durch eine Watteschicht mit. Ihr Kopf weigerte sich, die Zusammenhänge zu begreifen. Dabei hatte ein Teil von ihr längst verstanden, wie alles zusammenhing.
    Es war einfach. Viel zu einfach.
    Melanie führte Natalie hierher, ihre Schwester. Natalie brachte ihre beste Freundin Anna her. Und Anna kam mit jemandem an diesen Ort, der ihr wichtig war. Ein Verwandter vielleicht, oder ein Freund. Doch Melanie kannte Anna nicht. Vielleicht war sie auch per Anhalter gefahren und hatte einem Fremden diese Stelle im Wald gezeigt. Wer immer auch bei Anna war, er hatte den Tank gesehen, sich darin verloren, sich verändert, wie Artur sich verändert hatte, und hatte die kleine Anna ...
    Die Schutzengel! Wo waren die Schutzengel gewesen? Der des Mädchens, der von Natalie, und ihr eigener? Ja, wo war Melanies Schutzengel gewesen, dass er sie nicht vor diesem Grauen bewahrte?
    Wenn Anna etwas zugestoßen war, dann trug Melanie eine Mitschuld daran, keine rechtliche, aber eine moralische. Sie hätte Natalie dieses gefährliche Objekt niemals zeigen dürfen, und mehr noch: sie hätte sie niemals dazu ermuntern dürfen, einen anderen Menschen
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