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Eternity

Eternity

Titel: Eternity
Autoren: Cabot Meg
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1
    Dienstag, 13. April, 9.15 Uhr
Downtown Gleis 6
East 77th Street und Lexington Avenue, New York
     
     
    Ein Wunder war geschehen.
    Meena eilte in den Zug und hielt sich aufatmend an einer der glänzenden Haltestangen fest. Sie konnte ihr Glück kaum fassen.
    Sie war viel zu spät, und um sie herum herrschte der übliche Betrieb der Rushhour am Morgen. Eigentlich hatte sie damit gerechnet, sich mit Hunderten anderer Fahrgäste, die ebenfalls spät dran waren, in einen überfüllten Zug quetschen zu müssen. Aber jetzt stand sie in einem praktisch leeren Wagen.
    Vielleicht habe ich ja zur Abwechslung endlich mal ein bisschen Glück, dachte sie.
    Meena sah sich nicht um. Sie hielt den Blick starr auf die Werbetafel über ihrem Kopf gerichtet, auf der stand, dass sie schöne reine Haut haben könnte, wenn sie jetzt sofort bei einem gewissen Dr. Zizmor anrufen würde.
    Sieh dich nicht um, befahl Meena sich. Sieh dich bloß nicht um, sieh dich bloß nicht um …
    Mit ein bisschen Glück konnte sie es bis zu ihrer Haltestelle an der 51st Street ohne Blickkontakt oder Interaktion mit einem menschlichen Wesen schaffen …
    Es waren die Schmetterlinge, lebensgroße Schmetterlinge, die Meena zuerst auffielen. Kein Citygirl würde weiße Sandaletten mit riesigen Plastikinsekten auf den Zehen tragen. Das Mädchen las einen Liebesroman (dem hilflosen, rehäugigen
Blick der jungen Frau auf dem Titelbild nach zu urteilen) in kyrillischer Schrift. Der riesige Rollkoffer, der vor ihr stand, war ein weiteres Indiz dafür, dass sie nicht aus der Stadt war.
    Allerdings war nichts davon – einschließlich der Tatsache, dass sie ihre langen blonden Zöpfe um den Kopf gewunden hatte (wie die Darstellerinnen bei Sound of Music ) und zu ihrem billigen gelben Polyesterkleid violette Leggings trug – ein so sicherer Hinweis auf ihren neuen Status als Stadtbewohnerin wie die Bemerkung, die sie machte.
    »Oh, ich Verzeihung«, sagte sie und sah Meena mit einem Lächeln an, das ihr hübsches Gesicht geradezu schön werden ließ. »Bitte, Sie wollen sitzen?«
    Sie nahm ihre Tasche vom Platz neben sich, so dass Meena sich neben sie setzen konnte. Eine New Yorkerin hätte das nie im Leben getan. Zumindest nicht, wenn mindestens ein Dutzend andere Plätze im Zug frei waren.
    Meenas Herz sank.
    Denn jetzt wusste sie zwei Dinge mit absoluter Sicherheit: Zum einen, dass es trotz des Wunders, in einen fast leeren Zug gestiegen zu sein, an diesem Tag definitiv nicht zu ihren Gunsten lief, und zum anderen, dass das Mädchen mit den Schmetterlingssandaletten noch vor dem Ende der Woche tot sein würde.

2
    Dienstag, 13. April, 9.30 Uhr
Linie 6
Grand Central Station, New York
     
     
    Meena hoffte inständig, dass sie sich bei Miss Schmetterling irrte. Aber eigentlich irrte Meena sich nie. Nicht, wenn es um den Tod ging. Also ergab sie sich dem Unvermeidlichen, ließ die Metallstange los und setzte sich neben das Mädchen.
    »Sind Sie gerade erst hier in der Stadt angekommen?«, fragte Meena mit aufgesetzt fröhlicher Stimme, obwohl sie die Antwort bereits kannte.
    Das Mädchen nickte lächelnd. »Ja! New York City!«, rief sie begeistert.
    Na großartig! Ihr Englisch war im Grunde kein Englisch.
    Miss Schmetterling zog ein Handy hervor und scrollte durch ein paar Fotos. Als sie das richtige gefunden hatte, hielt sie es Meena hin.
    »Sehen Sie?«, sagte sie stolz. »Freund. Meine amerikanische Freund Gerald.«
    Meena warf einen Blick auf das körnige Foto. O Mann, dachte sie. Warum nur? Warum gerade heute?
    Sie hatte keine Zeit dafür. Sie hatte eine wichtige Sitzung. Und sie musste eine Geschichte unterbringen. Der Posten des Head-Autors war vakant, nachdem Ned ihn nach seinem öffentlichen Nervenzusammenbruch in der Kantine des Senders hatte räumen müssen.
    Nur als Head-Autor konnte man bei einer Serie wie Eternity Geld verdienen.

    Meena brauchte Geld. Und sie würde den Druck aushalten und bestimmt keinen Nervenzusammenbruch bekommen. Sie hatte schließlich noch nie einen gehabt, und dabei hatte sie ganz andere Sorgen als die Quoten von Eternity.
    Das Signal zum Schließen der Türen ertönte. Als nächster Halt wurde Grand Central Station angekündigt. Meena hatte ihre Haltestelle verpasst.
    Gott, dachte sie. Wann wird mein Leben wieder normal?
    »Er sieht sehr nett aus«, log sie Miss Schmetterling an. »Sind Sie hier bei ihm zu Besuch?«
    Miss Schmetterling nickte heftig. »Er hilft mir, Visum zu bekommen«, sagte sie. »Und …« Sie nahm
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