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Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 6 Tod in Kupfer

Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 6 Tod in Kupfer

Titel: Falkengrund, Schule des Okkulten - Episode 6 Tod in Kupfer
Autoren: Martin Clauß
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Reiz.“
    „Wirklich?“
    „Na gut, sagen wir, am dritten Tag ...“
    Anna erwiderte nichts darauf. Ihr kam eine Idee.
    „Ich kenne einen zauberhaften Ort“, sagte sie. „Ich habe gerade daran gedacht, als du vorbeikamst. Fährst du mich hin? Es ist nicht weit – mit dem Auto.“
    Der Mann zögerte. „Deine Eltern werden doch nichts dagegen haben?“
    „Nein, warum auch? Und ... wir müssen es ihnen ja nicht unbedingt sagen.“
    Onkel Uli war Mamas Bruder, und Annas Vater mochte ihn nicht besonders. Er sagte, es gefiel ihm nicht, dass Uli sich Anna gegenüber manchmal wie ein Vater benahm, dass er die meiste Zeit mit dem Mädchen spielte, wenn er bei ihnen zu Besuch war, dass er ihr Geschenke mitbrachte, Streiche mit ihr ausheckte und manchmal sogar Geheimnisse mit ihr teilte.
    Anna wusste, warum Onkel Uli sie so gerne mochte. Sie war alt genug, um es zu verstehen. Uli und Jasmin hatten keine Kinder. Sie wünschten sich welche, aber es schien so, als könnten sie keine bekommen. Während Anna ihren Eltern ziemlich oft auf den Wecker fiel, war Onkel Uli in ihrer Gegenwart nie genervt. Ihr Vater behauptete, dass das darin begründet lag, dass Uli sie nicht so häufig sah wie ihre Eltern. Anna war nicht sicher, ob dies der einzige Grund war.
    Ihrem Vater behagte es nicht, dass Anna Onkel Uli mochte. Er fühlte sich zurückgesetzt. Und betonte deshalb ständig, wer Annas Vater war und wer nicht. Erwachsene waren Weltmeister darin, komplizierte Dinge noch komplizierter zu machen.
    „Zeigst du mir den Weg zu deinem ... zauberhaften Ort?“ Onkel Uli war ein sanfter Mann, fast wie ein Mädchen. Er hatte Fantasie, mochte schöne Dinge, interessierte sich nicht für Männer-Sachen wie Fußball und Autos – seinen New Beetle mal ausgenommen, aber manche Leute waren ja der Meinung, das sei ohnehin eher ein Wagen für Frauen.
    „M-hm.“ Anna nickte in Gedanken.
    „Sollen wir uns vorher was zu trinken kaufen?“, schlug der Onkel vor. „Es ist ein heißer Tag.“
    „Gute Idee“, sagte Anna und begann sich auf den Nachmittag zu freuen.

2
    Die Nacht von Freitag auf Samstag war kurz gewesen.
    Bis Mitternacht hatten die Studenten sich auf Anordnung des Vize-Rektors Sir Darren nur in Gruppen bewegt, damit sie der merkwürdigen Macht, die einen von ihnen zu töten versuchte, keinen Angriffspunkt boten. Um ganz sicher zu sein, hatten sich alle in der Halle versammelt, wo man normalerweise speiste. Die Gesprächsthemen waren ihnen schnell ausgegangen, und man starrte sich an, begann sich zu streiten. Keine fünf Minuten alleine sein zu können und selbst dann einen Aufpasser vor der Tür zu wissen, wenn man auf die Toilette ging, setzte einigen von ihnen psychisch zu. Sie kamen sich vor wie in einem Gefängnis. Der Druck, den das Gebäude mit seiner beklemmenden Atmosphäre auf sie alle ausübte, war selten so greifbar gewesen wie an diesem langen Abend.
    Ihnen wurde bewusst, wie eng sie eigentlich aufeinander saßen.
    Als Mitternacht vorüber war und sie alle auf ihre Zimmer gehen durften, fiel es ihnen schwer abzuschalten. Artur wälzte sich stundenlang von einer Seite auf die andere und fand keinen Schlaf. Georg schien es ähnlich zu ergehen. Das Bett knarrte unter seinem massigen Körper. Enene lag wie immer reglos auf dem Rücken, und es war unmöglich zu sagen, ob er schlief oder wach an die Decke starrte.
    Am nächsten Morgen war Artur nicht der einzige, der beinahe das Früh¬stück versäumt hätte. Vielleicht hätte man es um eine Stunde verschieben sollen – von halb acht auf halb neun –, aber daran hatte niemand gedacht.
    Wie jeden Morgen hatten zwei der Studenten Küchendienst und halfen Ekaterini bei den Vorbereitungen. Artur, der nicht zu den Unglücklichen gehörte, stieg benommen die Treppe hinab und setzte sich an einen der Tische. Eine feste Sitzordnung gab es nicht, und im Gegensatz zum Unterricht, wo jeder gewohnheitsmäßig denselben Platz einnahm, verteilten sich die Studenten hier jedes Mal neu.
    Artur war gleich aufgefallen, dass es auf Falkengrund kaum Cliquenbildung gab. Die meisten Studenten schienen keinen Anschluss zu einer Gruppe gefunden zu haben, wirkten irgendwie heimatlos. Selbst Leute wie Harald oder Sanjay, die gerne im Mittelpunkt standen, hatten keinen festen Kreis aus Bewunderern oder Schützlingen um sich geschart, sondern schienen sich stets neu orientieren zu müssen.
    Artur spürte, dass er nicht tiefer darüber nachdenken wollte. Jeder Bewohner von Falkengrund wirkte auf
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