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Bombenspiel

Bombenspiel

Titel: Bombenspiel
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Sonntag, 13.Juni 2010, Fußball-Weltmeisterschaft Südafrika
    Das Moses-Mabhida-Stadion in Durban war ausverkauft. Das markante Dröhnen der Vuvuzelas, symbolträchtige Lärminstrumente aus buntem Plastik, kündete von der Fußballbegeisterung der Südafrikaner. Die deutsche Nationalelf lag mit 1:0 in Führung, zehn Minuten vor Ende der ersten Halbzeit.
    uThembani Mthetwa suchte in den VIP-Lounges nach dem weißen Mann. Der Zulu wusste, dass er jetzt alles auf eine Karte setzen musste. In einem der luxuriös ausgestatteten Räume entdeckte er ihn. Im dunklen Nadelstreifenanzug schritt er, das Martiniglas in der einen, das Handy in der anderen Hand durch die Lounge, aufrecht die Haltung, dazu ein in das Gesicht gemeißeltes kühles Lächeln und ein nervös wirkender Blick, der immer wieder zu der goldenen Rolex huschte. Für das Geschehen auf dem Spielfeld schien er sich nicht allzu sehr zu interessieren.
    Das Gesicht des Mannes war glatt rasiert und wirkte dennoch ungepflegt. Schwammige Tränensäcke hingen, durch die Designersonnenbrille nur teilweise kaschiert, unter den Augen, faltige Hautlappen prägten die Wangen, und einige fleischige Auswüchse an Nase und Kinn gaben seinem Gesicht das Aussehen eines Warzenschweins.
    Der Unparteiische hatte soeben Freistoß für die Deutschen gegeben. Der Weiße, dem sich Mthetwa jetzt bis auf wenige Schritte genähert hatte, blickte auf sein Handy und musterte erneut die Anzeige seiner Armbanduhr. Noch zwei Minuten bis zur Detonation.
    Mthetwas Blick blieb am Skywalk hängen, jenem bumerangförmigen Bogen, der das Spielfeld des Stadions in Durban um mehr als 100 Meter überragte. An den neuralgischen Stellen, wo die Statik der frei tragenden Konstruktion am labilsten war, lagerten die Sprengsätze. Und in zwei kleinen Hohlräumen auf der Aussichtsplattform des Skywalk hatten sie die Phiolen mit den Viren versteckt. Innerhalb von wenigen Sekunden würden sich 70.000 Menschen infizieren und all diejenigen, auf die das aggressive Virus abgerichtet war, in den nächsten zehn Tagen sterben.
    Die Hand des Weißen umklammerte nervös das Handy.
    Ballbesitz der Deutschen. Pass von Schweinsteiger.
    Noch eine Minute.
    Podolski hatte freies Schussfeld und zog durch. Tor! 2:0 für Deutschland!
    Noch 30 Sekunden.
    Dann würde das Chaos herrschen.
    Die Bombe tickte, der Finger des Weißen fuhr über die Handytaste, die Anzeige auf seiner Rolex marschierte im Sekundenschritt dem alles entscheidenden Augenblick entgegen.
    Die Bögen des Skywalk, Symbol für das neue Südafrika, würden in sich zusammenkrachen wie ein Kartenhaus.
    Deutschland war erneut im Ballbesitz, als der Zeitpunkt kam, die Zündung auszulösen. Der weiße Daumen drückte auf die Taste.
     
     

Wenige Tage zuvor, Mercedes-Benz-Arena Stuttgart
    Der Tod war im Sekundenbruchteil eingetreten.
    Linda Roloff sah das Loch in seiner Stirn, trotzdem kniete sie neben dem Mann nieder und tastete nach dem Puls an seinem Hals. Sie spürte keinen Atem, als sie ihr Gesicht über seine Nase und seinen Mund schob. Er lag auf dem Rücken, so wie ihn der Schuss niedergestreckt hatte, sie kauerte neben ihm.
    Über ihnen ragte die geschwungene Geometrie der Mercedes-Benz-Arena wie eine künstliche Felswand senkrecht in den schwarzen Nachthimmel. Nur die großen weißen Leuchtbuchstaben auf halber Höhe der futuristischen Front sorgten hier am Tor 3 für ein diffuses Licht, ringsum herrschte Dunkelheit. In einem der Büros des benachbarten Business Centers brannte eine Schreibtischlampe, doch es schien niemand mehr in dem Raum zu arbeiten. Der Grillpoint, dessen überragendes Dach zusätzlich Licht abschottete, hatte geschlossen und die Stelle, wo sie die Leiche gefunden hatte, war in den Schatten der düster und bedrohlich wirkenden Platanen getaucht. Weder die gelben Lampen der leer gefegten Mercedesstraße noch das grelle Leuchten der Neonröhren im Parkhaus auf der anderen Straßenseite reichten bis hierher.
    Das Lüftungsgeräusch, das aus dem Bereich des Tors 2 zu ihr herüberdrang, mischte sich mit dem Knistern des Asphalts unter ihren Schuhen, als sie sich vorsichtig bewegte. Sie suchte nach ihrem Handy, das ihr heruntergefallen war, weil sie sich nach dem Schuss zu Boden geworfen hatte.
    Ihre Hand ertastete dankbar die kleine Taschenlampe, die ihr Alan an den Schlüsselbund gehängt hatte. Der Lichtschein, den sie abgab, reichte zwar nicht weit, war aber so grell, dass sie alle Unebenheiten in ihrer näheren Umgebung erkennen konnte.
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