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Spiel der Teufel

Titel: Spiel der Teufel
Autoren: Andreas Franz
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»Marina« vorstellte und groß und
schlank und kaum älter als Larissa war, kam gegen zweiundzwanzig
Uhr in das kleine Zimmer, in dem Larissa hauste. Sie
unterhielten sich etwa eine halbe Stunde, wobei die meiste Zeit
die junge Frau sprach. Larissa solle ihre Sachen am Samstagnachmittag
gepackt haben, am Abend um Punkt einundzwanzig
Uhr stehe ein Wagen vor dem Haus, um sie abzuholen.
    Samstag, das war bereits morgen, also viel schneller, als ihre
Professorin ihr gesagt hatte.
    Als Larissa ihre wenigen Habseligkeiten gepackt hatte, sah sie
sich noch einmal in dem kleinen Zimmer um, dachte an ihre
Eltern, die beiden jüngeren Geschwister und an ihre ältere
Schwester, die als Polizistin in Moskau arbeitete. Sie hätte gerne
noch einmal mit ihr gesprochen, denn es gab niemanden, zu
dem sie einen engeren Kontakt hatte, auch wenn sie ihr von der
Vergewaltigung und Misshandlung und den vielen Demütigungen
nichts erzählt hatte, zu sehr schämte sie sich dafür, und
Larissa wollte auch nicht, dass sie sich Sorgen machte oder gar
nach St. Petersburg kam. Sie liebte ihre Schwester, doch sie
würde sich an die Anweisungen halten und ihr erst schreiben,
wenn sie in Berlin war. Und wenn die Familie so nett wie auf
dem Foto war, würde sie vielleicht sogar mit ihr telefonieren
dürfen.
    Larissa wartete ungeduldig, bis es einundzwanzig Uhr war. Sie
hatte Hunger und Durst und fror erbärmlich, ging mehr als
zwei Stunden im Zimmer auf und ab, rieb sich immer wieder
die mit dicken Handschuhen bedeckten Hände oder wärmte
ihr Gesicht mit ihrem Atem, den sie in die Handflächen blies,
die sie dicht vors Gesicht hielt.
    Ein paar Minuten vor neun ging sie nach unten, wo bereits das
Auto stand, das sie zum Hafen bringen würde. Und schon in
zwei Tagen würde sie in Berlin sein, bei einer Familie, die sie
nur von einem Foto kannte. Nette Menschen, mit zwei kleinen
Kindern. Und doch beschlich sie ein mulmiges Gefühl, als sie
in das Auto stieg, wo noch zwei andere junge Frauen außer
dem Fahrer saßen. Auf dem Weg zum Hafen wurde kein Wort
gewechselt, es herrschte eine beinahe beängstigende Stille. Larissa
war nervös und aufgeregt, wollte sich dies aber nicht anmerken
lassen, denn sie redete sich immer und immer wieder
ein, es habe schon alles seine Richtigkeit, auch wenn ihr Bauch
ihr etwas anderes sagte. Doch sie wollte nicht darauf hören.
Ihre Gedanken waren bei ihrer Familie, ihrem Vater, der als
Lehrer an einer kleinen Dorfschule gerade so viel verdiente,
dass sie immer genug zu essen hatten, und bei ihrer Schwester,
die es als Erste geschafft hatte, aus den ärmlichen Verhältnissen
auszubrechen und eine einigermaßen gutbezahlte Anstellung
bei der Polizei in Moskau hatte. In zwei, spätestens drei Tagen
würde Larissa mit ihr Kontakt aufnehmen und ihr eine Menge
mitzuteilen haben.
    Am Hafen angelangt, standen dort bereits fünf weitere Fahrzeuge,
zwei Lieferwagen, ein Mercedes und zwei Polizeiwagen.
Die Türen der Lieferwagen wurden geöffnet, und etwa
dreißig Personen stiegen aus, die jüngste vielleicht fünf Jahre
alt, die älteste höchstens fünfundzwanzig. Nur die Fahrer waren
älter.
    Sie wurden zu einem Frachter geführt. Das mulmige Gefühl
wurde immer intensiver und wandelte sich schlagartig in Angst.
Am liebsten wäre Larissa davongerannt, doch um die Gruppe
herum hatten sich mehrere Männer geschart, die wie Bluthunde
aufzupassen schienen, dass auch jeder auf direktem Weg auf
den Frachter ging. Unter diesen Männern befanden sich auch
sechs Polizisten, und drei von ihnen waren ebenjene, die Larissa
in den letzten Wochen mehrfach vergewaltigt hatten. Einer
von ihnen grinste und zwinkerte ihr hämisch zu, während er
sich eine Zigarette anzündete. Zwei kleine Kinder weinten und
hielten sich bei den Händen, eine junge Frau begann plötzlich
hysterisch zu schreien, bis einer der Männer sie kräftig am Arm
packte, kurz schüttelte und ihr etwas ins Ohr flüsterte, das Larissa
jedoch nicht verstand, weil sie zu weit weg war. Die Frau
hatte vor Angst geweitete Augen und verstummte. Vier weitere
Polizisten tauchten wie aus dem Nichts auf, unterhielten sich
mit einem der Männer, und ein dicker Umschlag wechselte die
Besitzer.
     
    Es war ein riesiges Schiff mit vielen Containern. Zu einem davon
wurden sie gebracht, wie eine Herde Schweine, die zur
Schlachtbank geführt wurde. In dem riesigen Container, der
von einer matten Glühbirne nur spärlich
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