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Spiel der Teufel

Titel: Spiel der Teufel
Autoren: Andreas Franz
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kann in einen andern
hineinschauen«, erwiderte sie nur.
    »Was denkst du gerade?«
    »Keine Ahnung.«
    »Dann geht's dir wie mir. Jeder, aber nicht Gerd.«
    »Es ist das erste Mal, dass ein Kollege, den ich nicht nur vom
Sehen kannte, sich das Leben nimmt. Das ist alles«, sagte Santos
und überspielte damit ihre Gefühle.
    »Als ich noch ganz am Anfang bei der Truppe war, hat sich mein
damaliger Chef im Keller erhängt. Er hatte rausgekriegt, dass
seine Frau mit einem andern rumvögelte, während er sich den
Buckel krumm schuftete. Und seine Frau hatte nicht etwa einen
x-beliebigen Lover, nee, sie hat sich ausgerechnet mit seinem
besten Freund eingelassen, und da hat er durchgedreht. Er kam
mit sich und der Welt nicht mehr zurecht. Und eines Nachts ist
er in den Keller gegangen, hat sich einen Strick genommen, noch
eine Flasche Bier getrunken und ... Seine Frau hat ihn am nächsten
Morgen gefunden, hat die Beerdigung abgewartet und ist
kurz darauf verschwunden. Kein Mensch weiß, wo sie heute
lebt. Sie ist untergetaucht. Das hat uns damals alle sehr mitgenommen.
Und jetzt das mit Gerd.«
    »Hm«, murmelte Santos, die das Gesagte nur am Rande mitbekam,
und sah aus dem Seitenfenster auf die Ostsee, die im
sanften Licht der Frühlingssonne glänzte. Es war warm, wärmer
als gewöhnlich um diese Jahreszeit. Aber seit Monaten
schon war es zu warm, der Herbst war kein Herbst gewesen,
sondern ein lang anhaltender Spätsommer, und der Winter
ein langer Herbst. Und jetzt begann der Sommer - viel früher
als üblich. Alle sprachen vom großen Klimawandel, und
wie es aussah, war er bereits in vollem Gange. Sie interessierte
das nicht, nicht in diesem Augenblick, schon gar nicht
nach dieser Nachricht. Sie fragte sich, wie die nächsten Minuten
und vielleicht sogar Stunden verlaufen würden. Es war
schönes Wetter, aber es war ein trauriger Tag.
     

DIENSTAG, 14.35 UHR
     
    Vor dem Haus standen ein Streifen- und ein Zivilfahrzeug aus
dem Fuhrpark des Präsidiums sowie der Wagen der Kriminaltechnik,
deren Beamte in der Garage zugange waren, und ein
Notarztwagen. Ein uniformierter Beamter, vermutlich einer von
denen, die als Erste vor Ort waren, kam ihnen entgegen. Henning
hielt ihm wortlos seinen Ausweis hin, und er und Santos
wurden durchgelassen. Auf der Straße hatten sich ein paar
Schaulustige aus der Nachbarschaft versammelt und beobachteten
das ungewöhnliche Treiben neugierig. Henning und Santos
hatten so etwas schon öfter erlebt und registrierten es nur nebenbei,
als sie ins Haus gingen, dessen Vordertür offen stand.
    Sie betraten das sehr geschmackvoll und gemütlich eingerichtete
Wohnzimmer, wo Nina Wegner mit verweintem Gesicht auf
dem Sofa saß, neben ihr Kurt Ziese, Kommissariatsleiter und
Chef von Wegner. Mitten in dem lichtdurchfluteten Zimmer, in
dem Henning schon so viele Male war, stand eher unschlüssig
Werner Hamann, ebenfalls ein direkter, aber noch junger Kollege
von Wegner, kaum dreißig Jahre alt, der mit der Situation
sichtlich überfordert war. Es war ein Unterschied, ob man es
mit einem fremden Toten zu tun hatte oder mit jemandem, den
man nicht nur näher kannte, sondern den man zudem noch
schätzte. Henning wusste, dass Wegner ein beliebter Kollege
war, auch wenn er hin und wieder Alleingänge startete, die ihm
aber nicht übelgenommen wurden.
    Nina sah Henning mit vom Weinen geröteten Augen an und
sagte mit stockender Stimme: »Sören, warum? Warum, warum,
warum?!«
    Henning ging zu ihr und nahm sie in den Arm. Sie schluchzte
wieder, ihr ganzer Körper wurde durchgeschüttelt, als er sie
hielt. Nina war eine außergewöhnliche Frau, in Russland geboren,
seit etwas über fünf Jahren in Deutschland. Sie war achtundzwanzig
Jahre alt und gehörte zu jener Generation junger
Russinnen, die für ihre Schönheit berühmt und auch begehrt
waren. Etwa eins siebzig groß, blondes und feingelocktes Haar,
das bis auf die Schultern fiel, feinporige Haut, markant geschwungene
Lippen, strahlend weiße Zähne, das Hervorstechendste
aber waren ihre großen braunen Augen, die einen
aparten Kontrast zu ihren Haaren bildeten. Sie war eine Frau,
nach der sich die Männer umdrehten, eine Frau, bei der kaum
ein Mann nein gesagt hätte. Eine Frau, von der viele träumten,
für die es aber nur einen Mann gab - ihren Mann. Als Henning
sie hielt, wirkte sie so unendlich traurig und zerbrechlich. Sie
zitterte leicht, obwohl es warm in dem Zimmer war.
    Ziese
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