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Spiel der Teufel

Titel: Spiel der Teufel
Autoren: Andreas Franz
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Täter, von dem nach wie vor jede
Spur fehlte, zum Zeitpunkt des Unfalls betrunken war. Bei dem
Besitzer des Wagens handelte es sich um einen alleinstehenden
älteren Mann, der für die Unfallzeit ein absolut wasserdichtes
Alibi hatte, denn er war mit Freunden aus seiner Rentnerclique
auf einer Bootstour auf der Elbe unterwegs.
    Rosanna starb einen Tag vor ihrem fünften Geburtstag. Für
Gerd war eine Welt zusammengebrochen, auch wenn er sich
das kaum anmerken ließ, doch in einem Gespräch mit Henning
gab er zu erkennen, wie sehr ihn der Verlust seiner Tochter
schmerzte. »Das Leben geht weiter«, hatte er gesagt, »es muss
weitergehen. Ich habe ja Nina, und irgendwie werden wir es
schon schaffen. Sie ist das Beste, was mir je passiert ist.« Und
dabei hatte er gelächelt, als hätte er bei diesen Worten an ein
Liebeslied gedacht, das im Radio seit Monaten hoch- und runtergespielt
wurde. Das war vor etwa einer Woche, und Henning
konnte und wollte nicht glauben, dass sein Freund innerhalb
weniger Tage den fatalen Entschluss gefasst haben sollte,
seinem noch recht jungen Leben ein Ende zu setzen. Er hätte
es gespürt, Gerd hätte ein Signal ausgesandt, aber sie hatten
gelacht, Scherze gemacht und sich wie immer ganz normal unterhalten.
Vielleicht wollte Henning es aber auch nur nicht
glauben, weil er mit ihm einen echten Freund verloren hatte.
»Du wolltest, dass ich komme. Was kann ich für dich tun,
Nina?« Henning nahm in dem Sessel schräg neben der Couch
Platz und betrachtete Nina, die so verloren und unendlich hilflos
wirkte. Sie war eine liebenswerte Frau, die er vom ersten
Moment an gemocht hatte, deren Tür jederzeit offen stand, die
eine hervorragende Gastgeberin war und mit der man sich
phantastisch unterhalten konnte.
     
    Sie spielte mit ihren Fingern und ließ eine Weile verstreichen,
bevor sie mit fester Stimme antwortete: »Finde heraus, was
wirklich passiert ist. Gerd hat sich nicht umgebracht.«
    »Aber ...«
    »Nein, kein Aber. Gerd hat sich nicht umgebracht«, wiederholte
sie einen Tick energischer. »Er hätte mich nie allein gelassen.
Ich habe das Ziese nicht gesagt, weil er mir sowieso nicht
geglaubt hätte ...«
    »Jetzt mal schön der Reihe nach«, versuchte Henning sie zu
beschwichtigen. »Was bringt dich zu der Annahme, dass Gerd
keinen Selbstmord begangen hat?«
    »Weil ich ihn zu gut kannte. Ich kannte ihn besser als irgendjemand
sonst. Weißt du, als wir uns damals in St. Petersburg zum
ersten Mal sahen, das war etwas ganz Besonderes. Ich habe ihn
gesehen und mich in ihn verliebt. Und bei ihm war es genauso.
Ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst«, sagte sie mit einem
Lächeln und diesem unvergleichlichen slawischen Akzent, der
ihrem perfekten Deutsch beigemischt war, was nicht zuletzt
daran lag, dass sie, bevor sie ihren Mann traf, neben Kunst auch
Germanistik studiert hatte. Das Lächeln verschwand jedoch
sofort wieder, und ihre Miene bekam erneut diesen unendlich
traurigen Ausdruck, und da war auch für einen kurzen Moment
wieder diese Leere in ihren Augen. »Der Tod von Rosanna
war für uns beide ein Schock, und wir haben viel zusammen
geweint. Aber es gab etwas, das uns am Leben hielt und uns
Hoffnung gab.« Sie seufzte auf, ein paar Tränen stahlen sich
aus ihren Augen und tropften auf ihre helle Sommerhose. Sie
fing wieder an zu weinen, stand auf, ging ins Bad und kehrte
kurz darauf zurück, Stolz im Blick und in der Haltung. Russischer
Stolz.
    »Was für eine Hoffnung?«, fragte Henning.
    »Nur eine Woche nach Rosannas Tod habe ich erfahren, dass
ich schwanger bin ...«
    »Du bist schwanger?«, wurde sie von Henning unterbrochen,
den diese Nachricht völlig unerwartet traf. Gerd hatte bisher
nichts davon erwähnt, nicht einmal ansatzweise. Keine Andeutung,
nichts.
    »Ja, verdammt noch mal, ich bin schwanger, Anfang des vierten
Monats, auch wenn man das noch nicht sieht. Nur meine Brust
ist ein bisschen größer geworden. Und ich werde das Kind bekommen
und allein großziehen. So hat Gott es wohl gewollt.«
    Und nach einem kurzen Innehalten: »Und jetzt ganz ehrlich:
Glaubt ihr allen Ernstes, Gerd hätte mich ausgerechnet jetzt
allein gelassen? Glaubt ihr das wirklich?«
    »Das heißt, Gerd wusste von deiner Schwangerschaft«, sagte
Henning mehr rhetorisch und zu sich selbst.
    »Ja, natürlich. Oder meinst du, ich würde ihm so etwas Wunderbares
verheimlichen? Die Aussicht auf das Baby hat ihm
Kraft und
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