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Spiel der Teufel

Titel: Spiel der Teufel
Autoren: Andreas Franz
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Prolog
     
St. Petersburg, November 2001
     
     
    Es war kalt, als Larissa ihre Sachen packte. Kalt in der Stadt,
wo bereits im Oktober der erste Schnee gefallen war, kalt in
ihrem kärglich eingerichteten Zimmer, weil wieder einmal die
Heizung nicht funktionierte und sich seit vorgestern am Fenster
winzige Eisblumen gebildet hatten. Sie fror, obwohl sie
über der Unterwäsche eine dicke Wollstrumpfhose, Wollsocken,
eine Jeans und einen Wollpullover trug, wovon bis auf
die Jeans alles von ihrer Mutter gestrickt worden war. Ihre
Hände und ihre Nase waren von der Kälte rot. Sie hatte, als sie
ihr Elternhaus verließ, gewusst, dass es in St. Petersburg nicht
einfach werden würde, und sie hatte auch gewusst, dass sie sich
als eine junge Frau vom Lande in der Großstadt erst einmal
würde zurechtfinden müssen.
    Anfangs schien es zu klappen. Sie kam mit dem Geld recht gut
über die Runden, doch bereits nach vier Monaten waren ihre
wenigen Ersparnisse aufgebraucht, und sie hatte überlegt, ob es
nicht besser wäre, das Studium abzubrechen und wieder nach
Hause zu fahren. Aber sie wollte unbedingt ein besseres Leben
führen, ein besseres als ihre Eltern, und vielleicht würde sie es
sogar schaffen, ihnen eines Tages hin und wieder etwas Geld
zukommen zu lassen.
    Doch jeder Tag wurde zu einem Kampf ums Überleben. Sie
musste die Miete zahlen, die ihre herrische Vermieterin pünktlich
an jedem Ersten des Monats einforderte, sie musste essen,
was oft nicht mehr als trocken Brot und ein paar Kartoffeln
waren. Seit sie in der großen Stadt lebte, hatte sie sich nichts
Neues zum Anziehen zugelegt. Sie ging sehr sorgsam mit ihrer
Kleidung um, die ihre Eltern ihr zum Abschied gekauft hatten,
wofür sie ihr letztes Geld zusammengekratzt hatten. Aber sie
waren stolz auf Larissa und ihren Ehrgeiz und hofften, sie
würde es irgendwann besser haben.
    Es dauerte nicht lange, bis Larissa einen Aushilfsjob in einem
Restaurant fand, wo sie als Spulerin ein paar Rubel hinzuverdiente,
und später in einem Sexshop, bis sie von dem Besitzer
gefragt wurde, ob sie nicht lieber mehr Geld hätte. So hübsch
und attraktiv, wie sie sei, wäre es ein Leichtes, in dieser teuren
Stadt angenehm und ohne Sorgen zu leben. Sie wusste, was er
damit meinte, bat jedoch um Bedenkzeit. Nach ein paar Tagen
hatte sie sich entschieden, ihren Körper niemals zu verkaufen,
lieber würde sie sterben. Doch bereits am Abend nach ihrem
Entschluss, den sie dem Sexshopbesitzer mitteilte, standen, als
sie sich bereits fürs Bett fertigmachen wollte, drei Polizisten
vor ihrer Tür, zerrten sie wortlos die Treppe hinunter und in
einen Streifenwagen und vergewaltigten sie mehrfach an einer
dunklen Stelle am Ufer der Newa. Die Männer hatten die ganze
Zeit über kaum ein Wort gesprochen, sie hatten nur ein
paarmal hämisch gelacht, und als sie fertig waren, hatten sie
Larissa einfach im Dreck liegenlassen und waren davongefahren,
nicht ohne ihr vorher deutlich zu verstehen zu geben,
dass sie ab sofort jeden Abend zwischen zwanzig Uhr und
zwei Uhr an einer bestimmten Stelle zu stehen und so viele
Freier zu bedienen habe, wie nach ihr verlangten. Sie hatten
ihren Körper misshandelt und missbraucht, aber sie hatten
nicht Larissas Willen und Stolz gebrochen, obwohl sie viele
Tage benötigte, um sich physisch von dem Geschehenen zu
erholen.
    Seit jener verhängnisvollen Nacht stand sie selbst in der größten
Kälte allabendlich an der Straße und erfüllte Freiern die
ausgefallensten und perversesten Wünsche, doch das Geld, das
sie dabei verdiente, gehörte nicht ihr, nein, sie musste es bis auf
ein paar wenige Rubel an die drei Polizisten abführen. Und
wenn sie einmal keinen Freier hatte, was durchaus passierte,
kamen die drei und vergingen sich wieder an ihr als Strafe dafür,
nicht genug Einsatz zu zeigen.
    Larissa wusste von einigen Studienkolleginnen, dass sie das
gleiche Schicksal erlitten wie sie, und man munkelte, dass fast
die Hälfte der Studentinnen Dinge tun musste, die sie eigentlich
nicht tun wollten. Doch dies war nur ein Gerücht. Sie
wusste aber auch, dass etliche von ihnen drogenabhängig waren
oder an der Flasche hingen, weil sie dem Druck nicht mehr
gewachsen waren. Und zwei dieser jungen Frauen hatten sich
innerhalb weniger Tage das Leben genommen.
    Knapp drei Wochen waren seit der ersten Vergewaltigung vergangen,
als sie an einem Freitagmittag von ihrer Professorin in
deren Büro
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