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Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren

Titel: Schattengeboren - Sinclair, A: Schattengeboren
Autoren: Alison Sinclair
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1
    Ishmael
    Diese Reiter sind gut, dachte Ishmael di Studier kläglich. Anderenfalls hätte er sie gehört, bevor sie ihn fast erreicht hatten, selbst auf dieser gewundenen alten Poststraße durch die hügelige Landschaft. Und dann wäre er weit außerhalb der Reichweite ihres Sonars hinter der Mauer am anderen Ende des Feldes verborgen gewesen, statt bewegungslos bloße zwanzig Meter von der Straße entfernt in einer Senke hinter einer Grenzmarkierung zu hocken und zu hoffen, für einen Felsblock gehalten zu werden. Die Reiter – wie viele es auch sein mochten – ritten auf Pferden, die dazu ausgebildet waren, sich lautlos und leichtfüßig in der Dunkelheit zu bewegen, deren Hufe sie gedämpft und an deren Zaumzeug sie alles Metallische mit Filz umwickelt hatten. Nur so hatten sie sich an ihn heranpirschen können. Dass es ihm nicht möglich war, ihre Zahl zu erkennen – sechs oder vielleicht acht? – , zeugte von ihren großen Fähigkeiten.
    Falls es sich um Freunde handelte, wusste er, wie sie reiten würden: in zwei ungeordneten Reihen mit präzise aufrechterhaltenen Abständen, und ein jeder von ihnen würde lauschen und Peilrufe zu seiner Seite aussenden. Diese Ordnung und Disziplin hatte er zusammen mit ihnen entwickelt und eingeübt. Und es mochten durchaus Freunde sein, da der herzogliche Befehl, die Grenzlande für eine mögliche Invasion zu rüsten, die gesamte Streitmacht von Stranhorne in Alarmbereitschaft versetzt und auf die Straße getrieben haben sollte, um nach Schattengeborenen zu fahnden. Vielleicht hatten sie sogar Anweisungen erhalten, auch ihn zu suchen.
    Aber es konnten genauso gut Feinde sein, nämlich Suchtrupps, die der Erzherzog mit einem Haftbefehl für ihn ausgeschickt hatte. Im schlimmsten Fall Soldaten aus Minhorne, die zu diesem Zweck in die Grenzlande gekommen waren. Ishmael hegte keinen Zweifel, dass der Haftbefehl Anweisungen einschloss, nach denen er unversehrt zurückgebracht werden sollte; aber es gab nicht die geringste Gewissheit, dass man sich auch daran halten würde. Nicht bei einem Flüchtling, dem die Ermordung einer Dame und Hexerei zur Last gelegt wurden.
    Er spürte gestreute Peilrufe, die von den hohen Gräsern und dem Unkraut um ihn herum zurückgeworfen wurden, und versuchte, sich das Wesen des Steins zu eigen zu machen. Die mitternächtliche Feuchtigkeit drang langsam bis zum Knie seines Standbeins durch, und seine Wadenmuskeln verkrampften sich schmerzhaft. Er wagte nicht, sich zu bewegen. Die Reiter dürften ein ebenso scharfes Gehör haben wie er selbst, und einige der altgedienten Grenzsoldaten besaßen eine Intuition, die beinahe an Magie grenzte. Sollten die Umrisse seiner Gestalt über die der Grenzmarkierung herausragen, würde sein gebeugter Rücken ein anderes Ultraschallecho zurückwerfen als ein Fels.
    Ein Pferd stampfte mit den Hufen und schnaubte. Unwillkürlich zuckte er zusammen. Er hätte schwören können, keinen Laut von sich gegeben zu haben, aber eine Frauenstimme hallte klar durch die Nacht. »Ishmael, bist du das?«
    Er erkannte ihre Stimme, und mit einem kleinen Seufzer gestattete er sich endlich weiterzuatmen. »Ja«, sagte er. »Ich bin es.«
    Mit der behandschuhten Hand stützte er sich auf den Grenzstein und stemmte sich hoch. In der zweiten Hälfte der vergangenen Nacht und der ersten dieser hatte er zu Fuß und teils im Laufschritt mit einem Bündel und Waffen bei sich über fünfunddreißig Meilen zurückgelegt. Er war keine zwanzig mehr, wie seine Knie ihn wissen ließen. Ein wenig steif ging er zu der Gruppe auf der Straße hinüber.
    Die Frau, die auf einem der beiden Pferde an der Spitze saß, grinste triumphierend auf ihn herab. »Ich dachte doch, dass ich eine Bewegung wahrgenommen hätte. Du lässt nach, Ishmael.« Sie selbst war kaum über zwanzig, eine langbeinige junge Frau, die das geflochtene Haar um ihre Stirn gewunden trug. Sie hatte ausgeprägte Züge und einen zu breiten unbeweglichen Mund, um als konventionelle Schönheit gelten zu können. Bekleidet war sie mit einer zweckmäßigen Jacke und einem geteilten Reitrock, bewaffnet mit einem Gewehr, das sie über der Schulter, einem Revolver und einem Messer, die sie an der Hüfte, und einem weiteren Messer, das sie in einer Stiefelscheide trug. Ihr Aufzug konnte selbst in den Grenzlanden kaum als typisch für eine Thronanwärterin bezeichnet werden, aber nichtsdestoweniger war es eine Wonne, sie zu peilen. Er erwiderte ihr Grinsen. »Du bist gut, Lavender – ihr
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