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Ein Hund namens Gracie

Ein Hund namens Gracie

Titel: Ein Hund namens Gracie
Autoren: Dan Dye , Mark Beckloff
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Kansas City Blues
     
    B lues ist ein harmloser Ausdruck dafür, wie ich mich fühlte. Ich muss wie das Abziehbild eines Trauernden ausgesehen haben: ein grauer Sonntagnachmittag im Spätnovember, ich in einem zerschlissenen Jogginganzug und mit einem Dreitagebart, zusammengesackt auf einem Liegesessel von Sears, der fast noch so gut aussah wie an dem Tag in meinem ersten Jahr auf dem College, an dem ich ihn von einer Müllkippe erlöst habe. Was mir eigentlich noch fehlte, war eine halb geleerte Whiskeyflasche, eine Krähe auf der Schulter und ein von filterlosen Kippen überquellender Aschenbecher, um das Bild zu komplett zu machen: MANN BETRAUERT VERLUST EINES GELIEBTEN MENSCHEN. Es machte nichts, dass der geliebte Mensch in Wirklichkeit die beste Freundin meiner Kindheit war - meine 18 Jahre alt gewordene Hündin Blue. Und wenn das Telefon den ganzen Tag klingelte, ich saß nur rum und starrte es an. Ich versuchte gar nicht, den Leuten aus dem Weg zu gehen. Ich hatte einfach nichts zu sagen. Außer zu Blue. Und sie konnte mich ja nicht mehr hören.
    Unter meinen Freunden und Familienmitgliedern gibt es keine Diplomaten oder Absolventen von Benimmschulen, und ihre Versuche, mich wegen Blue zu trösten, hatten meistens den gegenteiligen Effekt. »Sie ist jetzt wahrscheinlich glücklicher« war ein Dauerbrenner zusammen mit »Du kannst dir ja jederzeit einen anderen besorgen« - aber nichts ging über »Gott sei Dank, dass es nur ein Hund war!« Nur zwei Leute schafften es, dass es mir nach dem Gespräch mit ihnen nicht noch schlechter ging als davor. Eine von beiden war Anne, meine Freundin und Co-Werbetexterin in der Midwestern Company, deren heiß geliebter Golden Retriever, Arthur, erst vor ein paar Monaten gestorben war. Der andere war Mark Beckloff, mein bester Freund, neuer Mitbewohner, zukünftiger Geschäftspartner. Der Inbegriff des gesunden Menschenverstands, ein Bedenkenträger sondergleichen und ein Abgrund des schlechten Geschmacks.
     

     
    Mark und ich hatten gerade ein Haus gekauft, eine verfallene Villa auf der Holmes Street im Herzen von Kansas City. Wir wollten sie renovieren und irgendwann profitabel verhökern, um den Kies für unsere Geschäftsidee aufzubringen - sowie wir auf sie stoßen würden. So lange, bis wir es uns leisten konnten, woanders zu wohnen, war dies unser Zuhause - es sei denn, einer von uns verklagte den anderen vorher noch schnell auf Schadenersatz, und das war etwas, was ich fast nie in Erwägung zog. Nach Blues Tod lebten wir nicht in der hundefreien Zone, denn es gab da noch Sarah und Dottie, alias »die Mädchen«, Marks Obolus zu unserem Hundehaushalt. Er bildet sich ein, ihr menschlicher Begleiter zu sein. Eine Überprüfung der Wirklichkeit ergibt aber: Die Mädchen sind Marks stolze Besitzerinnen. Sarah ist eine zwei Jahre alte schwarze Labrador-Mischlingshündin, die immer gut drauf ist, vor allem aber dann, wenn sie auf etwas kaut, was Mark am nächsten Tag anziehen muss. Dottie ist eine unbeherrschbare Naturgewalt in der trügerischen Gestalt einer vier Jahre alten Dalmatinerhündin. Dottie hinterlässt eine Spur der Verwüstung, wenn sie guter Stimmung ist. Nur an ihren Punkten liegt es, wenn sie nicht mit einem Tornado verwechselt wird.
    Sarah, Dottie, Mark und Anne gaben mir das, was ein Trauernder am meisten braucht: allein gelassen zu werden und ab und an ruhige Gesellschaft. Eines eiskalten Morgens ein paar Wochen darauf machte mir Anne ein weiteres wunderbares Geschenk außer ihrer stillen Anteilnahme: Ablenkung.
     

     
    Es war an einem dieser bitterkalten Spätjanuartage, an denen man sich zu fragen beginnt, ob 30 Zentimeter Schnee der Kälte vielleicht die Schärfe nehmen würden. Anne, die immer sagt, ihr Blut sei zu dünn für die Winter in Missouri, kam ins Büro und sah für die Jahreszeit unpassend glücklich aus. Die lustige und energiegeladene Mutter von zwei Kindern hat so eine Ich-sag’s-euch-wie-ich’s-sehe-Ehrlichkeit. Sie wurde an ihrer Schule zur Ballkönigin gekürt und hat eine Art zu flirten, die mich an eine Kellnerin in einem Schnellrestaurant erinnert - du weißt genau, dass sie es nicht ernst meint, aber du kommst dir trotzdem irgendwie besonders vor. Und einmal im Schaltjahr überkommt mich das unheimliche Gefühl, dass sie meine Gedanken lesen kann.
    Angesichts der Minusgrade machte mich ihre gute Laune stutzig, und ich fragte sie, was los sei. »Nichts!« gab sie strahlend zurück. Wie ihr Wochenende gewesen sei? »Gut!« Als
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