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Ein Hund namens Gracie

Ein Hund namens Gracie

Titel: Ein Hund namens Gracie
Autoren: Dan Dye , Mark Beckloff
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anderen Doggen schienen zu spüren, dass irgendetwas mit ihr nicht stimmte. Vielleicht lag es an ihrer Farbe, an ihren unkupierten Ohren, daran, dass sie nicht auf die Geräusche reagierte, die die anderen überall um sich herum hörten - sie ließen sie in Ruhe. Alle - selbst ihre eigene Mutter. Nur ein völlig zerkauter dreckiger Tennisschuh und eine zerschlissene Bademantelkordel leisteten ihr Gesellschaft.
    Ein Hund, groß genug, um einen Sattel zu tragen, verwechselte Annes Notizbuch mit einem Spielzeugknochen, und während Anne versuchte, die Sache mit ihm auszudiskutieren, kniete ich mich vor Merlins Schwester, bis wir uns Auge in Auge gegenübersaßen. Nie werde ich das Gesicht vergessen, das sie machte. Sie sah mich mit riesigen blauen Augen an (denken Sie an Paul Newman oder an einen wolkenlosen Himmel an einem Sommertag, nur blauer), das rechte schwarz umrandet, als sei ihr der Eyeliner ein bisschen verrutscht. Wie die meisten Doggenwelpen hatte sie noch nicht einmal begonnen, in ihre Haut hineinzuwachsen, die wie ein überdimensionaler samtener Einteiler über ihrem winzigen Knochengerüst lag. Ihre Ohrchen hingen herab wie die Ohrenwärmer an einer alten Fliegermütze, sodass von ihrem Kopf eine Schwere ausging, die von der Last trauriger Geheimnisse zu rühren schien. Sie hob die Augenbrauen, als wolle sie fragen, Kann ich dir meine Geschichte erzählen? Dann bellte sie - ein kurzes, schnelles Bellen, nicht laut, aber tief, als käme es von ganz weit unten.
    »Das ist was Neues.« Al stand immer noch an der Tür. »Hab sie noch nie einen Pieps machen hören. Stummer Albino.«
    Sie schien erschreckt von meiner Nähe, aber sie kam wie ein unbeholfenes Fohlen auf die Füße und beschnupperte mich. Als ich lächelte, ging ihr kurzer kleiner Schwanz wie eine Antenne in die Höhe, und sie fing an zu wedeln, wenn sie auch ein paar Zentimeter entfernt stehen blieb. In dem Moment, in dem ich sie streichelte, kam sie mir ganz nah und fing an, mein Gesicht abzulecken und meine Hand... alles, was sie nur erreichen konnte. Gerade als ich mich zu fragen begann, ob ihr irgendwer - Mensch oder Hund - in ihrem kurzen, einsamen Leben irgendwelche Zuneigung erwiesen hatte, tat sie etwas, was ich bei Hunden noch nie erlebt hatte. Sie brachte ihre Stirn auf dieselbe Höhe wie meine und drückte ihre Schnauze absichtlich gegen meine Nase. Dann trat sie zurück, sah mir in die Augen, kam wieder vor und tat es noch mal.
     

     
    Ich behaupte nicht, Dr. Dolittle zu sein, aber ich spürte, dass ich mit dem Herzen hörte, was sie nicht sagen konnte. Du weißt, dass ich die Richtige hin. Jetzt hör auf, hier abzuhängen und hol mich hier raus!
    Anne hatte gerade ihr Notizbuch errungen und nutzte den Moment, um mir mitzuteilen, dass das Hündchen am nächsten Tag eingeschläfert werden sollte. Sie sagte sonst nichts weiter, sie sah mich nur mit ihren tieftraurigen Welpenaugen an. Als ob sie mich noch überreden musste. Ich hob meine neue Freundin vom kalten Boden empor und wiegte sie sanft in den Armen. Ein süßes Lächeln des Sieges erschien auf Annes Gesicht. Wäre sie eine Missionarin gewesen, gäbe es keine einzige Stammesreligion mehr auf der ganzen Welt.
    Ich dachte, Al würde sich freuen zu sehen, dass das kleine Mädchen ein Heim bekam, aber es sah gar nicht danach aus. »Wird ’n Haufen Ärger machen, wissen Se«, warnte er uns. »Tun Se ihr wahscheinlich kein Gefallen mit. Mein ja bloß, is doch kein Leben.« Er gab uns ein paar Prospekte über Haltung und Pflege Deutscher Doggen, und wir sprinteten zurück zu meinem Hyundai. Ich war froh, mich von Al verabschieden zu können und von seinen Hunden und von ihren gesammelten Gerüchen.
    Ich sagte zu Anne, dass ich den Hund halten wollte, damit sie fahren und ihre Füße wärmen konnte, und sie ging gerne darauf ein. Kurz vorm Losfahren sah ich zu ihr rüber. Da war nicht mehr dieses Siegeslächeln, sondern dasselbe bescheuerte Grinsen einer Siebenjährigen, wie an dem Tag, an dem sie Merlin bekommen hatte. Es kam mir zwar immer noch bescheuert vor, aber als ich mich über Merlins Schwester beugte, bemerkte ich, wie meine eigenen Mundwinkel sich auf eine mir unbekannte (und wahrscheinlich bescheuerte) Art verzogen.
    Mein flaumiger Kumpel sah zu mir hoch, beschnupperte mich mit der Leistungskraft eines Industriestaubsaugers und wackelte von Nase zur Kruppe, bis sie genau den richtigen Fleck auf meinem Schoß gefunden hatte. Diesmal war ihre Botschaft laut und deutlich: Ich
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